Informelle Überlegungen zur internationalen Patentrechtsharmonisierung Konsolidierter Abschlussbericht zur »Tegernsee«-Nutzerbefragung im Jahr 2013[1]
Seit dem ersten Treffen am Tegernsee im Jahr 2011 beteiligen sich das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zusammen mit Vertretern der Patentämter der Vereinigten Staaten, Japans, Großbritanniens, Frankreichs, Dänemarks und dem Europäischen Patentamt im Rahmen der multilateralen »Tegernsee-Gruppe« an informellen Diskussionen zur internationalen Harmonisierung des materiellen Patentrechts.
Im April 2012 beauftragten die Leiterinnen und Leiter der beteiligten Ämter und Vertreter der Ministerien eine gemeinsame Arbeitsgruppe (»Tegernsee Expertengruppe«) mit der Erstellung einer vergleichenden Bestandsaufnahme zu den vier Schwerpunktthemen Neuheitsschonfrist, Verpflichtung zur Publikation von Patentanmeldungen nach 18 Monaten, Umgang mit unveröffentlichten parallelen Anmeldungen, Vorbenutzungsrechte als Verteidigung im Verletzungsfall.
Von der Expertengruppe wurden in den Jahren 2012 und 2013 Vergleichsstudien angefertigt sowie eine breit angelegte Nutzerkonsultation in allen beteiligten Ländern und Regionen durchgeführt. Die nationalen und regionalen Einzelberichte zu den Nutzerkonsultationen wurden von den Amtsleitern und Vertretern der Ministerien auf ihrer vierten Sitzung am 24. September 2013 in Genf gebilligt und danach jeweils separat veröffentlicht[2].
Um die Resultate der Nutzerbefragungen für die Öffentlichkeit leichter zugänglich zu machen, erstellte die »Tegernsee Expertengruppe« in der Folge einen konsolidierten Abschlussbericht, der die Ergebnisse der europäischen Befragungen zusammenfasst und diese vergleichend zu den Ergebnissen aus den Vereinigten Staaten und Japan analysiert.
Dieser Abschlussbericht wurde von den Amtsleitungen und Regierungsvertretern auf der fünften Leitungssitzung am 8. April 2014 in Triest gebilligt und steht nunmehr der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Die wichtigsten Ergebnisse der internationalen Nutzerbefragung sind im Folgenden skizziert:
Mit über 800 Antworten aus den beteiligten Regionen stellt die vorliegende Nutzerbefragung die bislang wohl größte internationale Studie zu Fragen des materiellen Patentrechts dar. Die Nutzerbeteiligung war am höchsten in Japan (412 Antworten), gefolgt von den Vereinigten Staaten (281) und Europa (gesamt: 147; Europäisches Patentamt: 69, Deutschland: 39, Frankreich: 11, Großbritannien: 9, Dänemark: 7).
Während in Japan und den Vereinigten Staaten Nutzer aus unterschiedlichen Bereichen teilnahmen, antworteten in Europa vor allem Unternehmen der Großindustrie (40,8 %) und Patent-/Rechtsanwälte (36,7 %). Klein- und Mittelunternehmen sowie Universitäten waren in Europa unterrepräsentiert.
Obwohl mehr als 64 % der Nutzer in allen Regionen angaben, schon einmal eine Neuheitsschonfrist genutzt zu haben, war die grundsätzliche Einstellung zu dieser unterschiedlich.
Während etwa 77 % der Nutzer in Japan und den Vereinigten Staaten sich prinzipiell für eine Neuheitsschonfrist aussprachen, war die Meinung in Europa dazu gespalten (starke Zustimmung (über 72 %) in Großbritannien, Frankreich, Dänemark; leichte Zustimmung (53,8 %) beim Europäischen Patentamt; starke Ablehnung (61,5 %) in Deutschland; Europa gesamt mit 53,8 %, was eine leichte Zustimmung bedeutet).
Als Gründe für eine Ablehnung der Neuheitsschonfrist wurden in Europa vor allem die geringere Rechtssicherheit (61,2 %) und eine Verkomplizierung des Patentsystems (41,8 %) genannt. Dagegen wurden in Japan und den Vereinigten Staaten die Nutzerfreundlichkeit für Klein- und Mittelunternehmen sowie das öffentliche Interesse an einer frühzeitigen Publikation betont (etwa 40 bis 70 %).
Durchgehend hoch (über 82 %) war in allen Regionen der Wunsch, die Regelungen zur Neuheitsschonfrist international zu vereinheitlichen, was allerdings auch die Möglichkeit einer einheitlichen Abschaffung beinhaltet.
In allen Gebieten sprachen sich mehr als 83 % der Nutzer für eine generell verpflichtende Publikation von Patentanmeldungen nach 18 Monaten aus. Der internationale Harmonisierungsbedarf in diesem Bereich wurde in allen Regionen als sehr hoch eingeschätzt (für über 85 % der Nutzer als »kritisch« oder »wichtig«).
Bei der Prüfung kollidierender Anmeldungen bevorzugte die Mehrheit der Nutzer das jeweils bestehende nationale/regionale System (Europa, 65,3 %: reine Neuheitsprüfung; Japan, 73,1 %: »erweiterte« Neuheitsprüfung mit Anti-Selbstkollision; Vereinigte Staaten, 48,8 %: Prüfung Neuheit und erfinderische Tätigkeit mit Anti-Selbstkollision).
Trotz der vergleichsweise großen öffentlichen Aufmerksamkeit hatte nur ein relativ geringer Teil der Nutzer bereits Schwierigkeiten mit sogenannten »Patentdickichten« (Japan: 14,3 %, Vereinigte Staaten: 31,3 %, Europa: 18,3 %).
Bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine PCT-Anmeldung Stand der Technik werden soll, gab es keine einheitliche Position (Vereinigte Staaten, 60,9 %: mit Veröffentlichung; Europa, Japan, über 47 %: nach Eintritt in die nationale/regionale Phase).
Vorbenutzungsrechte spielen in Europa und insbesondere in Deutschland eine erheblich größere Rolle als in Japan und den Vereinigten Staaten. Eine breite Mehrheit der Nutzer (über 65 %) sprach sich dafür aus, dass Vorbenutzungsrechte bis zum Anmelde-/Prioritätstag verfügbar sein sollen. Ausnahmeregelungen im Hinblick auf eine teilweise Nichtverfügbarkeit von Vorbenutzungsrechten wurden in allen Regionen stark abgelehnt (über 82 %).
Den ausführlichen konsolidierten Abschlussbericht zu den Ergebnissen der internationalen Nutzerbefragung finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz unter