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URTEIL DES BUNDESGERICHTSHOFES
Elektronische Pressearchive
mitgeteilt und bearbeitet von Dr. jur. H. Jochen Krieger
Rechtsanwalt in Düsseldorf
Amtliche Leitsätze:
UWG § 1; UrhG §§ 16, 53 Abs. 2 Nr. 2
a) Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs können nicht allein darauf gestützt werden, daß ein Mitbewerber im Rahmen seiner
geschäftlichen Tätigkeit regelmäßig fremde Urheberrechte
verletzt.
b) Ein elektronisches Pressearchiv, das ein Unternehmen zur Benutzung durch eine Mehrzahl von Mitarbeitern einrichtet, ist kein Archiv im Sinne des § 53 Abs.. 2 Nr. 2 UrhG.
BGH, Urt. v. 10. Dezember 1998 – I ZR 100/96 – OLG Düsseldorf / LG Düsseldorf
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 100/96
Verkündet am:
10. Dezember 1998
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Dr. Bornkamm und Prokant |
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für Recht erkannt: |
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 1996 aufgehoben. |
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Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen. |
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Von Rechts wegen |
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Tatbestand:
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Die Klägerin verlegt die Zeitung „Handelsblatt“ und das
Wirtschaftsmagazin „WirtschaftsWoche“. Unter der Bezeichnung
„G. -Wirtschaftsdatenbank“ bietet sie daneben die Online-
Nutzung des Inhalts eigener und fremder Publikationen, an
denen sie die erforderlichen Rechte erworben hat, gegen
Entgelt an. |
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Die Beklagte erbringt für Kunden entgeltliche Leistungen zum Aufbau elektronischer Pressearchive; sie verwertet dazu
auch Beiträge aus dem „Handelsblatt“ und der „WirtschaftsWoche“. Dabei geht die Beklagte wie folgt vor: Sie läßt sich von den Kunden Exemplare der auszuwertenden Zeitungen oder Zeitschriften übermitteln, in denen die zu archivierenden Beiträge bereits gekennzeichnet sind. Die entsprechenden Seiten werden zunächst ganz in ein Datenverarbeitungssystem eingelesen. Darauf werden die gewünschten Beiträge elektronisch ausgeschnitten und einem von den Auftraggebern vorgegebenen Archivsystem angepaßt, wobei die Beiträge gegebenenfalls indexiert werden. Das sobearbeitete Dokument wird dem Kunden am folgenden Arbeitstag – je nach seinem
Wunsch – als ablagefähiges Papierdokument, als digitalisiertes Faksimile oder auf einem Datenträger zur Verfügung gestellt. Elektronisch gespeicherte Beiträge geben die Kunden zur Archivierung in ihre Datenverarbeitungsanlagen ein. Danach werden bei der Beklagten sämtliche gespeicherten Daten gelöscht. Sollten mehrere Auftraggeber Beiträge, die auf derselben Zeitungs- oder Zeitschriftenseite stehen,
archivieren lassen – ein Fall der bisher allerdings noch nicht vorgekommen ist -, würde die betreffende Seite nur einmal eingelesen. In diesem Fall würde von jedem
Kunden ein eigenes Exemplar der betreffenden Zeitung oder Zeitschrift verlangt oder auf seine Kosten beschafft werden. |
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Die Beklagte bietet auch an, aus Zeitungs- oder Zeitschriftenexemplaren, die von dem Kunden oder für diesen beschafft werden, die zu archivierenden Beiträge selbst herauszusuchen, hat aber noch keinen derartigen Auftrag erhalten. |
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Die Klägerin hat der Beklagten, die sie als Wettbewerberin bei der Sekundärnutzung veröffentlichter Presseinformationen ansieht, vorgeworfen, bei ihrer Tätigkeit in wettbewerblich unlauterer Weise fremde Leistungen zu übernehmen. Die Beklagte biete – fast tagesaktuell – praktisch den gesamten
redaktionellen Inhalt des „Handelsblatts“ und der „WirtschaftsWoche“ in elektronisch gespeicherter Form an und behindere dadurch den Absatz von Mehrfachabonnements
dieser Periodika. Die elektronische Speicherung erweitere die Möglichkeit der Nutzung der übernommenen Beiträge „theoretisch grenzenlos“. Bisherige Mehrfachbezieher könnten bei Inanspruchnahme der Dienste der Beklagten mit nur einem Exemplar auskommen, weil dann eine unbestimmte Zahl ihrer Betriebsangehörigen an verschiedenen Orten die Veröffentlichungen über Endgeräte nutzen könnte.
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Die Beklagte handele auch deshalb wettbewerblich unlauter, weil sie ihre Tätigkeit ohne Rücksicht auf fremde Urheberrechte durchführe. Bei Erstellung und Nutzung elektronischer Pressearchive komme es technisch bedingt zu einer Vielzahl von Vervielfältigüngen. Die Beklagte könne sich wegen dieser Nutzungshandlungen nicht auf dieSchranken des Urheberrechts berufen. Durch ihren Rechtsbruch verschaffe sich die Beklagte einen ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb: Während sie, die Klägerin, für die Nutzung fremder Beiträge in der „G. -Wirtschaftsdatenbank“ hohe Entgelte zahlen müsse, leiste die Beklagte an sie für die Nutzung der Beiträge des „Handelsblatts“ und der „WirtschaftsWoche“ keine
Vergütungen.
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Die Klägerin hat in erster Instanz mit dem Hauptantrag begehrt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,
1. im Auftrag eines Dritten (Kunden) zur Erstellung eines Kundenarchivs diesem
a) die Wirtschafts- und Medienberichterstattung aus „Handelsblatt“ und/oder „Wirtschaftswoche“,
b) themenbezogen ausgewählte Artikel aus „Handelsblatt“ und/oder „Wirtschaftswoche“, die der Dritte oder die Beklagte nach Themenangaben des
Dritten ausgewählt hat,
auf elektronischen Datenträgern zur Verfügung zu stellen.
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Die Beklagte hat eine unlautere Behinderung der Klägerin und eine Verletzung von Urheberrechten in Abrede gestellt.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. |
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Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und dabei nur noch das Begehren ihres alten Klageantrags zu 1 b in geänderter Fassung als Hauptantrag weiterverfolgt. Insoweit hat sie beantragt, der Beklagten zu untersagen,
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Das Berufungsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben (OLG Düsseldorf GRUR 1997, 75).
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Entscheidungsgründe:
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I.
Die Abweisung des ursprünglichen Klageantrags zu 1 a durch das landgerichtliche Urteil ist rechtskräftig. geworden, weil die Klägerin insoweit nicht Berufung eingelegt hat. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, der frühere Klageantrag zu 1 a sei von dem – in Neufassung – weiterverfolgten früheren Klageantrag zu 1 b mit umfaßt und daher im Berufungsverfahren rechtshängig geblieben,. kann nicht zugestimmt werden. Die dem Senat ohne Einschränkung mögliche Auslegung der Klageanträge ergibt vielmehr, daß der Klageantrag zu 1 a ein weitergehendes Klageziel hatte als der ursprüngliche Klageantrag zu 1 b, der allein mit dem Hauptantrag des Berufungsverfahrens weiterverfolgt worden ist. Der Klageantrag zu 1 a richtete sich gegen die behauptete Übernahme der gesamten Wirtschafts- und Medienberichterstattung des „Handelsblatts“ und der „WirtschaftsWoche“, während
der Klageantrag zu1 b nur die Übernahme themenbezogen ausgewählter Artikel aus den genannten Presseerzeugnissen zum Gegenstand hat. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Klageanträge und mit besonderer Deutlichkeit aus dem Vorbringen der Klägerin, mit dem diese auf den Vorhalt der Beklagten, das Verhältnis der Klageanträge zu 1 a und zu 1 b sei unklar, die Zielrichtung ihrer Anträge erläutert hat. Dabei hat die Klägerin ausgeführt, die „Buchstaben a und b des Klageantrags zu 1“ seien erforderlich, weil sich der Kundenauftrag zur Erstellung eines Archivs auf die gesamte Wirtschaftsberichterstattung aus „Handelsblatt“ und/ oder „WirtschaftsWoche“; aber auch auf bestimmte Themen hieraus beziehen könne.
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II. Der vom Berufungsgericht zuerkannte Hauptantrag ist
entgegen der Ansicht der Revision hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Nach diesem Antrag soll der Beklagten verboten werden, ohne Zustimmung der Klägerin einem Kunden in dessen Auftrag für sein Archiv themenbezogen ausgewählte
Beiträge aus dem „Handelsblatt“ und/oder der „WirtschaftsWoche“ auf elektronischen Datenträgern gespeichert zur Verfügung zu stellen. Dabei sollen sowohl die Fälle erfaßt werden, in denen der Kunde die Beiträge ausgewählt hat, als auch solche, in denen die Beklagte die Auswahl nach Themenangaben des Dritten getroffen hat. In dieser Einbeziehung zweier Handlungsformen in den Antrag liegt – anders als die Revision meint – kein Widerspruch.
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III. Das Berufungsgericht hat den Hauptantrag aus § 1 UWGunter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch zuerkannt. Mit ihrem Angebot von Archivierungsleistungen stehe die Beklagte im Wettbewerb zur Klägerin, soweit diese die „G. -Wirtschaftsdatenbank“ betreibe und das „,Handelsblatt“ und die „WirtschaftsWoche“ verlege. Die Beklagte verschaffe sich dabei einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung, wenn sie ohne Zustimmung der Klägerin Kunden themenbezogen ausgewählte Beiträge aus dem „Handelsblatt“ und der „WirtschaftsWoche“ auf elektronischen Datenträgern überlasse. Sie liefere für die Pressearchive ihrer Kunden unstreitig neben nicht urheberrechtsschutzfähigem Material auch Zeitungs- und Zeitschriftenartikel aus dem „Handelsblatt“ und der „WirtschaftsWoche“, die als Schriftwerke i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG urheberrechtlich geschützt seien. Die Dienstleistungen der Beklagten für elektronische Pressearchive seien ohne Beschränkung auf die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Beiträge zu verbieten, weil sie darauf angelegt seien, urheberrechtlich
geschützte ebenso wie nicht geschützte Werke zu nutzen.
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Die elektronische Archivierung von Schriftwerken setze eine Vielzahl von Vervielfältigungen, die dem Urheber vorbehalten seien, voraus. Im Bereich der Beklagten fänden solche Vervielfältigungen statt, wenn ganze Seiten aus dem
„Handelsblatt“ und der „WirtschaftsWoche“ in die Datenverarbeitungsanlage eingelesen würden und wenn danach die einzelnen Artikel zunächst in den Datenspeicher der Beklagten und dann auf den für den Kunden bestimmten Datenträger übernommen würden. Weitere Vervielfältigungen fänden später im Bereich des Kunden bei der elektronischen Nutzung des Pressearchivs
statt.
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Die Beklagte habe an den urheberrechtlich geschützten Beiträgen des „Handelsblatts“ und der „WirtschaftsWoche“ keine Vervielfältigungsrechte erworben und könne sich bei deren elektronischer Archivierung auch nicht auf eine Schranke
des Urheberrechts berufen. Elektronische Archive seien wegen der Möglichkeiten ihrer Nutzung, die sehr viel weiter gingen als bei herkömmlichen Papier- und Mikrofilmarchiven, von § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG nicht erfaßt. Auf diese Vorschrift könne sich die Beklagte, soweit sie Beiträge selbst zur Archivierung auswähle, auch deshalb nicht berufen, weil sie mit dieser Dienstleistung über die bloße Herstellung von Vervielfältigungsstücken für einen anderen hinausgehe. Die Urheberrechtsschranke des § 53 Abs. 2 Nr. 4a
UrhG greife nicht ein, weil die Beklagte aus den betreffenden Ausgaben der Zeitungen oder Zeitschriften jeweils mehr als nur einzelne Beiträge verwerte.
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IV. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Revisionsangriffe haben Erfolg; sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
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1. Das auf der Grundlage des § 1 UWG ausgesprochene
Verbot, ohne Zustimmung der Klägerin Auftraggebern themenbezogene Beiträge aus dem „Handelsblatt“ und der „WirtschaftsWoche“ auf elektronischen Datenträgern für die Verwendung in Pressearchiven zur Verfügung zu stellen, ist maßgeblich darauf gestützt, daß es die Beklagte bei dieser Dienstleistung darauf angelegt habe, urheberrechtlich geschützte Werke widerrechtlich zu nutzen. Damit allein kann ein
wettbewerbsrechtliches Unterlassungsgebot jedoch nicht begründet werden.
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Die Verletzung fremden Urheberrechts begründet für sich keine Ansprüche von Mitbewerbern wegen unlauteren Wettbewerbs. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn feststeht, daß es nach der Art und Weise des Vorgehens des in Anspruch
genommenen Unternehmens regelmäßig zu Urheberrechtsverletzungen kommen muß. Die durch das Urheberrechtsgesetz begründeten Rechte sind zwar von allen Wettbewerbern zu beachten, haben aber nicht den Zweck, den Wettbewerb durch Aufstellung gleicher Schranken zu regeln und dadurch zur Chancengleichheit der Wettbewerber beizutragen. Sie sollen als Individualrechte allein die Interessen der Urheber und derjenigen schützen, die ihre Rechtsposition von diesen ableiten. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß Eingriffe in das Urheberrecht strafbewehrt sind.
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Die Verletzung fremden Urheberrechts führt als solche auch dann nicht zu Ansprüchen von Mitbewerbern wegen unlauteren Wettbewerbs, wenn sie geeignet ist, den Wettbewerb zu beeinflussen. Ein Unternehmen, das fremde Urheberrechte nicht
beachtet, gewinnt durch diesen Rechtsbruch allerdings Vorteile, die es möglicherweise auch im Wettbewerb einsetzen kann: Es nutzt geschützte Werke, die nach der Rechtslage nur mit Zustimmung des Urheberberechtigten genutzt werden dürften und deshalb bei rechtmäßigem Vorgehen zur gewerblichen Verwertung regelmäßig gar nicht oder nur gegen Entgelt zur Verfügung stehen. Dieser Wettbewerbsvorsprung rechtfertigt es jedoch allein nicht, anderen – dadurch benachteiligten – Unternehmen Unterlassungsansprüche aus § 1 UWG zuzugestehen. Eine andere Entscheidung stünde in Widerspruch zur Zielsetzung des Urheberrechtsgesetzes, dem Urheber grundsätzlich die Verfügungsbefugnis darüber zu geben, ob und wie sein Werk verwertet wird (vgl. dazu auch OLG Köln GRUR 1983, 133 und 517; OLG Hamm GRUR 1984, 539, 540; Dirschl, Individualrechtsverletzungen als Wettbewerbsverstöße und erweitertes Klagerecht aus § 13 Abs. 1, 1 a UWG, 1985, S. 206 ff.; Traub, Festschrift für Quack, 1991, S. 119, 129 ff.; a.A. Bappert/Maunz/Schricker, Verlagsrecht, 2. Aufl., § 9 Rdn. 14 S. 306 f.; Schricker/Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl. [erscheint demnächst), Einl. Rdn. 38 f.; Gerhardus, Berührungspunkte des Urheber-und des Wettbewerbsrechts, 1994, S. 163 f.; Seifert, ZUM 1985, 81 ff.; Sack, ZUM 1987, 103, 126 f.). Diese Verfügungsbefugnis schließt nicht nur die freie Entscheidung darüber ein, Nutzungsrechte einzuräumen oder zu verweigern, sondern auch darüber, ob und wie gegen Verletzer vorgegangen werden soll. Ebenso wie es dem Urheberberechtigten freisteht, einzelnen Wettbewerbern Nutzungsrechte zu vergeben, die er anderen verweigert, ist es ihm überlassen, Rechtsverletzungen hinzunehmen oder zu verfolgen. Diese Entscheidungsbefugnis würde dem Urheberberechtigten zumindest teilweise auch dann genommen, wenn er darauf beschränkt würde, lediglich mit Wirkung für die Zukunft wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen dadurch die Grundlage zu nehmen, daß er in Eingriffe in seine Rechte einwilligt oder Nutzungsrechte einräumt, weil die Rechtswidrigkeit bereits begangener Urheberrechtsverletzungen und die daraus Dritten für die Vergangenheit erwachsenen wettbewerbsrechtlichen Schadens- und Auskunftsansprüche nicht rückwirkend durch eine entsprechende Erklärung des Urheberberechtigten beseitigt werden könnten.
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Die Anwendung des § 1 UWG ist neben den sondergesetzlichen Regelungen des Urheberrechtsgesetzes allerdings nicht ausgeschlossen. Es müssen aber besondere, außerhalb der Sonderschutztatbestände des Urheberrechtsgesetzes liegende Umstände hinzutreten, welche die beanstandete Handlung als unlauter i.S. des § 1 UWG erscheinen lassen (BGHZ 134, 250, 267 – CB-infobank I, m.w.N.). Auf solche Umstände stellt der noch zur Entscheidung stehende Unterlassungsantrag jedoch nicht ab.
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2. Die Unterlassungsklage ist gleichwohl noch nicht
abweisungsreif. Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren nicht in gleicher Weise wie auf § 1 UWG
auch auf § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG stützen wollte mit der Begründung, daß die Beklagte bei der Verwertung von Beiträgen aus dem „Handelsblatt“ und der „WirtschaftsWoche“ stets auch
in ihr zustehende urheberrechtliche Befugnisse eingreife. Dies bedarf der Erörterung mit den Parteien; gegebenenfalls wird der Klägerin Gelegenheit zu geben sein, sachdienliche Anträge zu stellen (§ 139 Abs. 1 ZPO).
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Der noch anhängige Unterlassungsantrag stellt nach seinem Wortlaut nicht darauf ab, daß die Beklagte gerade Rechte der Klägerin verletzt. Der Gegenstand des Unterlassungsantrags ist aber auch unter Heranziehung der Antragsbegründung
auszulegen. Das entsprechende Vorbringen der Klägerin ist jedoch unklar. In der Klageschrift wird der Unterlassungsantrag auch damit begründet, daß die Klägerin der
Beklagten die Verwertung der Beiträge aus dem „Handelsblatt“ und der „WirtschaftsWoche“ nicht gestattet habe. Auch in ihrer Berufungsbegründungsschrift hat die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren mit darauf gestützt, daß sie es als
Verlegerin der – im Antrag genannten – Periodika „Handelsblatt“ und „WirtschaftsWoche“ nicht hinnehmen müsse, daß die Beklagte ihr Geschäft auf der Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen zu ihrem Nachteil aufbaue. Ebenso geht aus
dem Tatbestand des Berufungsurteils (BU S. 8 Abs. 1, vgl. auch S. 11 Abs. 2 „in erster Linie“) hervor, daß die Klägerin das Vorgehen der Beklagten auch deshalb als wettbewerbswidrig beanstandet hat, weil diese ihr für die urheberrechtlich relevanten Nutzungen keine Vergütungen zahle. Im Schriftsatz vom 3. Februar 1996 (S. 3) hat die Klägerin dagegen betont, die Klage sei auf § 1 UWG, nicht auf § 97 Abs.1 Satz 1 UrhG gestützt; es gehöre deshalb nicht zu den Voraussetzungen des Klageanspruchs, daß die Klägerin selbst als Inhaberin urheberrechtlicher Befugnisse betroffen sei.
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V. Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:
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1. Ein Unterlassungsantrag, der nicht darauf gestützt ist, daß urheberrechtliche Befugnisse an konkret bezeichneten Beiträgen im „Handelsblatt“ und der „WirtschaftsWoche“ verletzt seien, sondern auf die Behauptung, daß bei jeder
Verwertung urheberrechtlich schutzfähiger Beiträge aus diesen Periodika in urheberrechtliche Befugnisse der Klägerin eingegriffen werde, wäre unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht unbestimmt (vgl. BGHZ 134, 250, 253 f. – CB-infobank I).
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2. Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, greift die Beklagte unbefugt in die Vervielfältigungsrechte der Urheberberechtigten ein (§ 16 Abs. 1 UrhG), wenn sie elektronische Datenträger mit themenbezogen aus dem „Handelsblatt“ und der „WirtschaftsWoche“ ausgewählten Beiträgen erstellt, falls die Beiträge urheberrechtlich geschützt sind. Da die Beklagte die geschützten Werke in jedem Fall auch dauerhaft in elektronischer Form – insbesondere auf Datenträgern – vervielfältigt, kommt es im vorliegenden Fall nicht auf die Frage an, ob § 16 Abs. 1 UrhG auch
lediglich vorübergehende Vervielfältigungen eines Werkes im Arbeitsspeicher einer Datenverarbeitungsanlage erfaßt. Auf die Urheberrechtsschranke des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG kann sich die Beklagte bei ihrer Tätigkeit nicht berufen, da auch die
Unternehmensarchive ihrer Auftraggeber nicht unter diesen Privilegierungstatbestand fallen.
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a) Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG liegen auch dann nicht vor, wenn die Beklagte zur Erstellung unternehmenseigener elektronischer Archive ihrer Kunden lediglich in der Weise Hilfe leistet, daß sie nur von den Kunden konkret bezeichnete urheberrechtlich geschützte Sprachwerke auf Datenträgern vervielfältigt und in dieser Form zur Einspeicherung in die Unternehmensarchive zur Verfügung stellt.
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Ein elektronisches Pressearchiv, das ein Unternehmen – wie dies hier der Fall ist – zur Benutzung durch eine Mehrzahl von Mitarbeitern einrichtet, ist kein Archiv i.S. des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG (ebenso Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., § 53 Rdn. 26 [erscheint demnächst]; Katzenberger, Elektronische Printmedien und Urheberrecht,
1996, S. 55; abweichend Flechsig, ZUM 1996, 833, 841 ff.; vgl. weiter Dreier in Schricker (Hrsg.), Urheberrecht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft, 1997, S. 164 ff.).
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Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung „CB-info-bank I“ (BGHZ 134, 250, 257) ausgeführt hat, bezieht sich die Vorschrift des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG nur auf Archive, deren Zweck sich in einer unter sachlichen Gesichtspunkten geordneten Sammlung vorhandener Werke zum internen Gebrauch
erschöpft. Der Gesetzgeber hat bei dieser Bestimmung insbesondere an Fälle gedacht, in denen z.B. eine Bibliothek ihre Bestände auf Mikrofilm aufnimmt, um Raum zu sparen oder um die Filme an einem vor Katastrophen sicheren Ort unterzubringen.
Die Freistellung solcher Fälle vom urheberrechtlichen Erlaubnisvorbehalt wurde damit begründet, daß der Urheber davon nicht betroffen werde, weil hier keine zusätzliche
Verwertung des Werkes vorliege. Es sollte jedoch verhindert werden, daß die Vorschrift von Bibliotheken dazu benutzt wird, ihre Bestände durch Vervielfältigung entliehener Exemplare zu erweitern. Aus diesem Grund wurde bestimmt, daß die
Vervielfältigung nur in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig ist und nur dann, wenn als Vorlage ein eigenes Werkstück benutzt wird (Begr. zu § 55 Abs. 1 Nr. 2 des Regierungsentwurfs eines Urheberrechtsgesetzes, BT-Drucks.
IV/270 S. 73).
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An dieser Zielsetzung des Gesetzgebers hat sich die Auslegung des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG zu orientieren, wobei zudem zu berücksichtigen ist, daß die Schranken des Urheberrechts ohnehin grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. BGHZ
134, 250, 263 f. – CB-infobank I) Demgemäß ist es nicht gerechtfertigt, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf die Vervielfältigung geschützter Werke zum Zweck ihrer Aufnahme in unternehmenseigene elektronische Pressearchive auszudehnen. Die Nutzung eines solchen Archivs mag zwar auf Betriebsangehörige beschränkt sein; auch dann geht aber der Umfang der Nutzungsmöglichkeiten weit über diejenigen hinaus, die durch § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG freigestellt werden sollten. Anders als ein herkömmliches – auf Papier oder Mikrofilm gesammeltes und nur „am Ort“ benutzbares – Archiv kann ein in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichertes Archiv schnell, kostengünstig und vom Urheberberechtigten kaum kontrollierbar weiter auf Datenträgern vervielfältigt und
verbreitet werden. Auf diesem Weg, aber auch durch Einspeicherung in die zentrale Datenverarbeitungsanlage eines unternehmenseigenen Netzwerkes, kann ein elektronisches Archiv ohne besondere Schwierigkeiten zahlreichen Mitarbeitern zur
Benutzung am Arbeitsplatz – gegebenenfalls auch zeitgleich – zur Verfügung gestellt werden. Dies hat nicht nur zur Folge, daß der Zugang zur Nutzung geschützter Werke bei elektronischen Unternehmensarchiven im Vergleich zu herkömmlichen Archiven ganz erheblich erleichtert und im allgemeinen auch der Nutzungsumfang erheblich verstärkt wird; es wird dadurch auch die Gefahr begründet, daß die den Urhebern vorbehaltene Auswertung ihrer Werke in wesentlichem Umfang beeinträchtigt wird. Die Klägerin hat dazu im vorliegenden Fall nachvollziehbar dargelegt, daß die fast
tagesaktuelle Auswertung ihrer Periodika „Handelsblatt“ und „WirtschaftsWoche“ für die Zwecke elektronischer Unternehmensarchive dazu führen kann, daß die betreffenden Unternehmen auf Mehrfachabonnements ganz oder teilweise verzichten.
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b) Bei der gegebenen Sachlage muß nicht entschieden werden, ob die Berufung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG im vorliegenden Fall auch deshalb nicht durchgreift, weil die Beklagte selbst dann, wenn ihr Auftraggeber die zu archivierenden Beiträge ausgewählt hat, neben der rein technischen Dienstleistung der Vervielfältigung auf Datenträgern auch sonstige Leistungen für die Zwecke des Archivs erbringt (vgl. dazu BGHZ 134, 250, 261 – CB-infobank I; Flechsig, ZUM 1996, 833, 840). Bei der Vervielfältigung von Beiträgen nach eigener Auswahl kann sich die Beklagte ohnehin nicht auf die
Archivzwecke ihrer Auftraggeber berufen, weil sie sich in diesen Fällen nicht mehr – wie erforderlich – auf rein technische Hilfeleistungen beschränkt (vgl. BGHZ 134, 250, 261 – CB-infobank I).
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c) Ebensowenig ist es mit § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG vereinbar, wenn Vervielfältigungsstücke für die Archive verschiedener Auftraggeber nicht jeweils neu mit Hilfe jeweils eigener Werkstücke der einzelnen Auftraggeber erstellt werden (vgl. BGHZ 134, 250, 258 f. – CB-infobank I).
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Erdmann
v. Ungern-Sternberg
Stark
Bornkamm
Pokrant
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