Zur Kennzeichnungskraft von Marken (Juni 2000)




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editorial – Juni 2000


Zur Kennzeichnungskraft von Marken

von H. Jochen Krieger

1. Das Problem bei Wortmarken



Die sogenannten absoluten Schutzversagungsgründe
beschäftigen die Rechtsprechung zunehmend mehr.



Durch das Markenrechtsreformgesetz hat sich gegenüber dem alten Warenzeichengesetz geändert, dass nur noch solche Anmeldungen zurückgewiesen werden dürfen, denen jegliche Unterscheidungskraft
fehlt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 des Markengesetzes). Neu ist hierbei das Wort "jegliche".



Ferner sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die
ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur
Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des
Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder
der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale
der Waren oder Dienstleistungen dienen können (§ 8 Abs. 2 Satz 2)
oder die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im
allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen
Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen
üblich geworden sind (§ 8 Abs. 2 Satz 3).



In Deutschland sind bisher die Sätze 2 und 3 recht weit
ausgelegt worden, so dass der Bundesgerichtshof mehrfach Entscheidungen des
Bundespatentgerichtes aufgehoben und zur Prüfung unter dem Gesichtspunkt
des Satzes 1 zurückverwiesen hat. Verwiesen sei auf die Entscheidungen
ABSOLUT, YES, FOR YOU, CHANGE und BONUS
.



2. …und bei Werbeslogan



Grundsätzlich gilt das auch für Werbeslogan, die
bekanntlich auch eintragungsfähig sind, wenn die erforderliche
Unterscheidungskraft gegeben ist. In dem Fall "Partner with the
Best
" (I ZB 21/97 vom 08.1.99), angemeldet für Waren der Klasse 9,
hat der Senat diese Unterscheidungskraft bejaht. Insoweit, so meint er, reiche
es aus, dass der der Wortfolge zu entnehmende Bedeutungsinhalt unscharf sei
und sich ohne ergänzende weitere Angaben kein beschreibender Inhalt
erkennen lasse.



Das BPatG hatte aus den Übersetzungsvarianten des
englischsprachigen Begriffes herausgelesen, alle Übersetzungsvarianten
enthielten dieselbe Sachaussage, nämlich eine Spitzenstellungsbehauptung.



Demgegenüber stellt der BGH fest, dass selbst auf der
Grundlage der der vom BPatG festgestellten Übersetzungsvarianten sechs
verschiedene Aussageinhalte in Betracht kommen, ohne dass der Wortfolge ein im
Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden
könne. Damit scheide eine fehlende Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 aus.


Auch die vom BPatG angenommene beschreibende Angabe nach
§ 8 Abs. 2 Satz 3 scheide aus.



Zurückverwiesen wurde die Sache zur Prüfung, der
offengebliebenen Frage, ob ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Satz 2 vorliege, ob also lediglich eine Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, … oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale vorliege.



3. Die Kehrseite



Das hat beim Deutschen Patent- und Markenamt in letzter Zeit
umgekehrt dazu geführt, dass zu bedenkenlos eingetragen wird. Erinnert
sei nur an den Fall WEBSPACE.



4. Kennzeichnungskraft und EU-Marke



Eine mit § 8 MarkenG nahezu gleichlautende Formulierung findet sich in Artikel 7 der VO(EG) Nr. 40/94 des Rates in der Fassung Nr. 3288/94 vom 22.12.1994.



Nunmehr musste sich auch der Europäische Gerichtshof in
der Rechtssache
–> T-19/99 mit dieser Problematik für eine
Gemeinschaftsmarke befassen.





Es geht um eine Marke COMPANYLINE, die für
Dienstleistungen des Bereichs "Versicherungswesen; Finanzwesen"
(Klasse 36 des Nizzaer Klassifikationsabkommen) angemeldet war. Die Anmeldung
war vom Erstprüfer wegen Verstoßes gegen Artikel 7 zurückgewiesen worden.



Hiergegen hatte die Anmelderin Beschwerde eingelegt mit der
Begründung, das Wort sei in seiner Gesamtheit zu würdigen und es
ergebe sich aus dem Gesetz, dass schon die geringstmögliche
Unterscheidungskraft ausreiche. Da das Wort schließlich im
Dienstleistungsbereich Versicherungs- und Finanzwesen nicht existiere,
vermittele es selbst im englischsprachigen Bereich nur einen diffusen
Bedeutungsinhalt. Schließlich, so argumentierte die Klägerin
weiter, dürfe die Unterscheidungskraft einer Marke nicht allein für
das englische Sprachgebiet berücksichtigt werden.



Demgegenüber führte das Amt aus, dass zwar ein noch
so geringer Grad der Unterscheidungskraft ausreiche, dass dieser aber
für den englischen Sprachraum nicht gegeben sei.



Das Gericht folgte im Ergebnis dem Amt, analysiert die beiden
Begriffe im englischen Sprachraum und ließ nicht gelten, dass das
gesamte Wort in keinem Wörterbuch verzeichnet ist. Die Zusammensetzung
wertete es als zwei Oberbegriffe, die lediglich eine Sparte von Produkten oder
Dienstleistungen bezeichnen, die für Unternehmen bestimmt sind. Damit sei
das Zeichen nicht geeignet, die Dienstleistungen der Anmelderin von denen
anderer Unternehmen zu unterscheiden.



Die Rüge der Anmelderin, das Amt habe seine
Harmonisierungspflichten verkannt, wies der Gerichtshof damit zurück,
dass die Eintragungshindernisse des Artikels 7 schon dann eingreifen, wenn sie nur in einem Teil der Gemeinschaft gegeben sind.



Das bedeutet eine erweiterte Prüfung und erhebliche
Sprachkenntnisse von Anmeldern europäischer Marken. Der Blick in die
Wörterbücher der südlichen und der nördlichen
EU-Länder dürfte kaum reichen. Sprachgefühl ist darüber
hinaus gefordert, dass in der Regel nur der hat, dessen Muttersprache
betroffen ist. Damit dürfte aber auch die Überlegung an Bedeutung
gewinnen, ob es nicht besser ist, eine Internationale Marke nach dem Madrider
Markenabkommen
mit Schutzerstreckung auf die wirklich benötigten
Länder anzumelden. Das hat den weiteren Vorteil, dass der erfolgreiche
Widerspruch in einem Land nicht die ganze Marke zu Fall bringt. Die Kosten
differieren ohnehin kaum, selbst wenn der Schutz auf alle EU-Länder
erstreckt wird. Der einzige Nachteil ist, dass das Verfahren nicht in Deutsch
abgehandelt werden kann.



Umgekehrt ist nunmehr ein Angriff aus einer EU-Marke
möglicherweise dadurch abwehrbar, dass ein Löschungsverfahren gegen
eine aus dem englischen Sprachraum entlehnte Marke zwar keine Aussicht auf
Erfolg hat, wenn gegen eine solche deutsche Marke ein Löschungsantrag
wegen Fehlens der Kennzeichnungskraft gestellt wird, wohl aber ein
Löschungsantrag gegen eine gleichlautende EU-Marke.



So mag es fraglich sein, ob eine deutsche Marke EXPLORER
für u.a. Software löschungsreif ist. Eine gleichlautende EU-Marke
könnte gefährdeter sein, da die mangelnde Kennzeichnungskraft
für den deutschen Sprachraum anders zu beurteilen ist, als für den
englischen Sprachraum.



HJK






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