Merkblatt – Das Erstreckungsgesetz (ErstrG) und seine Auswirkungen auf die Schutzrechtsverfahren beim Deutschen Patentamt im Bereich der Marken und Geschmacksmuster (Deutschland)

Merkblatt zum Erstreckungsgesetz (Marken und Geschmacksmuster)

– Ausgabe 8/1992 –

mitgeteilt und bearbeitet von Dr. jur. H. Jochen Krieger
Rechtsanwalt in Düsseldorf





TT-BEGRIFF
Deutschland
Einigung
Markenrecht
Geschmacksmusterrecht
Das Patentamt
Merkblatt 1992
TRANSPATENT
TT-ZAHL
DE598
DE597
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Merkblatt – Das Erstreckungsgesetz (ErstrG) und seine Auswirkungen auf die Schutzrechtsverfahren beim Deutschen Patentamt im Bereich der Marken und Geschmacksmuster

Quelle: DPA Ausgabe 8/1992

Mit dem Einigungsvertrag wurden die in der alten Bundesrepublik geltenden bundesdeutschen Rechtsvorschriften auch auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes im Beitrittsgebiet am 3. Oktober 1990 in Kraft gesetzt. Die vollständige Rechtseinheit wurde aber zunächst nur für die seit diesem Tag eingereichten Schutzrechtsanmeldungen verwirklicht. Denn die „Altrechte„, also alle vor der Wiedervereinigung in der Bundesrepublik Deutschland oder in der früheren DDR angemeldeten gewerblichen Schutzrechte, wurden nur für ihr bisheriges Schutzgebiet aufrechterhalten. Außerdem unterlagen sie jeweils den bis zum 2. Oktober 1990 für sie geltenden Rechtsvorschriften. Zu dieser Übergangsrechtslage hat das Deutsche Patentamt (DPA) ein besonderes Merkblatt („Das Deutsche Patentamt nach der Auflösung des Patentamts der DDR“) herausgegeben.

Mit dem Erstreckungsgesetz (BGBl I 1992, 938) wird die Rechtseinheit nunmehr auch für Altrechte weitgehend hergestellt. Die für sie bisher fortbestehende Teilung Deutschlands in zwei Schutzrechtsgebiete wird damit grundsätzlich beseitigt. Neben der gegenseitigen Erstreckung von Altrechten auf das bisher nicht erfaßte Gebiet und neben der Regelung der Fälle, in denen inhaltlich übereinstimmende Schutzrechte aus den beiden Gebieten aufeinandertreffen (Kollisionsfälle) sieht das Gesetz die grundsätzliche Anwendung von
Bundesrecht auf Altrechte mit Ursprung in der ehemaligen DDR vor.

Dieses Merkblatt enthält eine erste Unterrichtung über die Folgen, die sich aus dem Erstreckungsgesetz besonders im Hinblick auf die Behandlung von Marken-Altrechten und Geschmacksmuster-Altrechten beim DPA ergeben. Für den Bereich der technischen Schutzrechte hat das DPA ein besonderes Merkblatt zum Erstreckungsgesetz herausgegeben.

I. Welche Schutzrechte werden erstreckt?

1. In den alten Bundesländern bestehende Schutzrechte

Alle vor dem 3. Oktober 1990 angemeldeten oder durch Erteilung bzw. Eintragung erworbenen Schutzrechte, im zeichenrechtlichen Bereich also Warenzeichen und Dienstleistungsmarken, werden in ihrer Wirkung auf das Gebiet der neuen Bundesländer erstreckt. Dies gilt ebenso für Anmeldungen oder Schutzrechte, die vor dem 3. Oktober 1990 nach internationalen Abkommen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland eingereicht oder eingetragen worden sind.
§ 1 ErstrG

Kennzeichenrechte, die durch bloße Benutzung erworben werden,wie z.B. Ausstattungsrechte und Geschäftsbezeichnungen, sind nicht Gegenstand der gesetzlichen Erstreckung. Ihre Wirkung im Beitrittsgebiet richtet sich nach den dort am 3. Oktober 1990 in Kraft getretenen Bestimmungen des Warenzeichengesetzes und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.

2. In den neuen Bundesländern bestehende Schutzrechte

Die vor dem 3. Oktober 1990 in der früheren DDR angemeldeten oder eingetragenen Schutzrechte im zeichenrechtlichen Bereich, also Warenkennzeichen, werden auf das Gebiet der alten Bundesländer erstreckt. Das gleiche gilt für die vor dem 3. Oktober 1990 nach internationalen Abkommen mit Wirkung für die ehemalige DDR eingereichten oder eingetragenen Schutzrechte. – § 4 ErstrG

Eine Ausnahme bilden angemeldete oder eingetragene Herkunftsangaben. Sie werden nicht unmittelbar erstreckt, sondern können innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes (d.h. bis zum 30. April 1993) auf Antrag in Verbandszeichen mit Wirkung für das gesamte Bundesgebiet umgewandelt werden. – § 4 Abs. 1 u. 3 i.V.m. § 33 ff. ErstrG –

II. Wie wird die Erstreckung herbeigeführt?

Die bisher nur in jeweils einem der beiden Teilgebiete Deutschlands wirksamen Schutzrechte oder Schutzrechtsanmeldungen werden kraft Gesetzes, also „automatisch„, auf das jeweils andere Teilgebiet erstreckt. Ein besonderer Antrag und die Zahlung von Gebühren sind für die Schutzrechtserstreckung nicht erforderlich. Die erstreckten Schutzrechte behalten den ursprünglichen Zeitrang, ohne daß allerdings eine Rückwirkung der sich aus ihnen ergebenden Ansprüche im Erstreckungsgebiet für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 eintritt. – §§ 1 u. 4 ErstrG –

III. Welche Folgen hat die Erstreckung für inhaltlich übereinstimmende Schutzrechte?

Die Erstreckung tritt auch dann ein, wenn derselbe Schutzgegenstand bisher durch jeweils ein gewerbliches Schutzrecht in den alten und in den neuen Bundesländern geschützt ist. Sofern es sich dabei um denselben Inhaber handelt, führt die Erstreckung im Ergebnis zunächst zu einem „Doppelschutz„. Handelt es sich um verschiedene Inhaber, so führt die Erstreckung zu einem Kollisionsfall, der nach den besonderen Kollisionsregelungen des Gesetzes zu beurteilen ist (siehe unten VI.).

IV. Was ändert sich bei der Behandlung von Schutzrechten, die beim Deutschen Patentamt angemeldet worden sind?

Für die Behandlung von Schutzrechten oder Schutzrechtsanmeldungen, die vor oder nach der Wiedervereinigung beim Deutschen Patentamt angemeldet worden sind, ändert sich grundsätzlich nichts. Sie unterliegen bereits dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Das Patentamt wird diese Schutzrechte also weiterhin nach den Bestimmungen des Bundesrechts behandeln. Im Kollisionsfall kann sich allerdings eine besondere Löschungs- oder Widerspruchsmöglichkeit gegen Marken ergeben, die vom 1. Juli bis zum 2. Oktober 1990 angemeldet worden sind (siehe unten VI.).

V. Was ändert sich bei der Behandlung von Schutzrechten mit Ursprung in der früheren DDR?

Auf Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen mit Ursprung in der früheren DDR werden vom 1. Mai 1992 (Inkrafttreten des Erstreckungsgesetzes) an – abweichend von den Besonderen Bestimmungen des Einigungsvertrages – ebenfalls grundsätzlich nur noch die Vorschriften des Bundesrechts angewendet. Aus Gründen des Bestandsschutzes werden sich jedoch die Voraussetzungen der Schutzfähigkeit und die Schutzdauer in der Regel weiterhin nach dem Recht der früheren DDR richten. Außerdem sind die besonderen Überleitungsvorschriften des Erstreckungsgesetzes zu beachten, deren wichtigste Bestimmungen nachfolgend erläutert werden. – § 5 ErstrG

1. Marken

Im Markenbereich sieht das Erstreckungsgesetz wichtige Ausnahmen von dem Grundsatz vor, daß die Voraussetzungen der Schutzfähigkeit und die Schutzdauer von DDR-Altrechten weiterhin dem Recht der früheren DDR unterliegen.

So kommt die Löschung einer eingetragenen Marke aus absoluten Gründen nur dann in Betracht, wenn sie sowohl nach den Regelungen des DDR-Rechts als auch nach den Vorschriften des Bundesrechts vorgesehen ist. – § 20 Abs. 1 ErstrG

Dagegen richtet sich die Berechnung der Schutzdauer bei Marken mit Ursprung in der früheren DDR einheitlich nach den Vorschriften des Warenzeichengesetzes. – § 24 ErstrG

Auf am 1. Mai 1992 anhängige Markenanmeldungen werden ausschließlich die Vorschriften des Warenzeichengesetzes angewendet. Die Anmeldung kann jedoch nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, daß es sich um eine nach dem Warenzeichengesetz an sich nicht eintragbare Markenform (z.B. eine dreidimensionale Form) handelt.
§ 22 ErstrG

Außerdem wird die bisher nach dem Warenkennzeichengesetz der früheren DDR von Amts wegen vorzunehmende Prüfung auf entgegenstehende ältere Rechte entfallen. Sie wird durch die Bekanntmachung der Marke und die Möglichkeit des Widerspruchs durch Dritte nach §§ 5 und 6 a WZG ersetzt. Daher werden angemeldete Zeichen nach der Prüfung auf die gesetzlichen Anforderungen und absoluten Eintragungshindernisse auch dann nach den Vorschriften des Warenzeichengesetzes bekannt gemacht, wenn schon eine vollständige Prüfung nach früherem DDR-Recht stattgefunden hat.
§ 23 Abs. 1 ErstrG

Widerspruch kann jedoch nur erheben, wer für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen ein mit dem angemeldeten Zeichen übereinstimmendes (§ 31 WZG) älteres Zeichen mit Ursprung in der früheren DDR angemeldet hat, oder, wenn das bekanntgemachte Zeichen in der Zeit vom 1. Juli bis zum 2. Oktober 1990 beim ehemaligen Patentamt der DDR angemeldet worden ist, wer für gleiche oder gleichartige Waren ein übereinstimmendes älteres Zeichen beim Deutschen Patentamt angemeldet hat. – § 23 Abs. 2 ErstrG

2. Urheberscheine und Patente für industrielle Muster

Erteilte Urheberscheine und Musterpatente gelten als Geschmacksmuster im Sinne des Geschmacksmustergesetzes weiter. – § 16 ErstrG

Bei der Weiterbehandlung der am 1. Mai 1992 noch anhängigen Musterpatentanmeldungen ist zwischen drei Verfahrensstadien zu unterscheiden:

– Ist die Anmeldung noch nicht in das Register eingetragen worden, so wird sie wie eine beim Deutschen Patentamt eingereichte Geschmacksmusteranmeldung behandelt. Die Prüfung der Anmeldung erfolgt also nach den Vorschriften des Geschmacksmustergesetzes und der Musteranmeldeverordnung. Dies gilt auch dann, wenn schon eine Prüfung nach § 9 der früheren DDR-Musterverordnung stattgefunden hat.

– Soweit eine Musterpatentanmeldung vor Inkrafttreten des Erstreckungsgesetzes in das Register eingetragen, aber noch nicht bekanntgemacht worden ist, wird das Anmeldeverfahren durch eine Bekanntmachung nach § 8 Abs. 2 GeschmG abgeschlossen.

– Eine schon erfolgte Bekanntmachung nach § 10 Abs. 1 der DDR-Musterverordnung wird der Bekanntmachung nach § 8 Abs. 2 GeschmG gleichgestellt, so daß das Anmeldeverfahren abgeschlossen ist.

§ 19 ErstrG

VI. Wie werden Kollisionsfälle gelöst?

Da die Beurteilung von Verletzungsstreitigkeiten nicht zum Aufgabengebiet des Deutschen Patentamts gehört, wird zur Behandlung von Kollisionsfällen hier nur folgender Überblick gegeben:

1. Marken

Im Markenbereich sieht das Erstreckungsgesetz zwei Lösungsmodelle für Kollisionsfälle vor. Zunächst ist nach der bereits im Einigungsvertrag enthaltenen Stichtagslösung eine besondere Widerspruchs- bzw. Löschungsmöglichkeit bei Anmeldungen bzw. Marken vorgesehen, die in der Zeit vom 1. Juli bis zum 2. Oktober 1990 beim Deutschen Patentamt oder beim Patentamt der ehemaligen DDR eingereicht oder angemeldet worden sind. Die Anmelder oder Inhaber kollidierender Marken mit älterem Zeitrang erhalten insoweit eine besondere Widerspruchs- bzw. Löschungsmöglichkeit. – §§ 2, 3, 21, 23 Abs. 2 Nr. 2 ErstrG –

Soweit diese Stichtagsregelung nicht eingreift, sieht das Gesetz gewissermaßen das Weiterbestehen von zwei getrennten Schutzgebieten vor. Zwar werden die kollidierenden Zeichen im Grundsatz auf das jeweils andere Gebiet erstreckt, sie können dort aber grundsätzlich nur mit Zustimmung des anderen Inhabers benutzt werden (sogenannte Ausschließlichkeitslösung). – § 30 Abs. 1 ErstrG

Einschränkungen dieses Grundsatzes sind für die Fälle der überregionalen Werbung und des Bestehens von Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz vorgesehen. Außerdem kann das Zustimmungserfordernis nach einer Generalklausel entfallen, wenn sich der Ausschluß von der Benutzung des Zeichens nach einer Interessenabwägung als unbillig erweisen würde. – § 30 Abs. 2 ErstrG

2. Geschmacksmuster

Im Bereich der Geschmacksmuster werden Kollisionen auf der Grundlage der sogenannten Koexistenzlösung geregelt. Danach können die Inhaber übereinstimmender Rechte das Ausschließungsrecht gegen Dritte geltend machen. Jedoch besteht das Verbietungsrecht weder gegenüber dem anderen Schutzrechtsinhaber noch gegenüber dessen Lizenznehmer(solange es nicht ggf. im Löschungsverfahren zu Fall gebracht worden ist). Das Gesetz sieht in einer Generalklausel Einschränkungen des Koexistenzgrundsatzes nach Billigkeitsgesichtspunkten vor. – § 26 ErstrG

Außerdem sind bei den Geschmacksmustern auch eventuell bestehende Weiterbenutzungsrechte zu beachten. – § 28 ErstrG

VII. Einigungsstelle

Bei der praktischen Durchführung der Ausschließlichkeits- und Koexistenzlösung kann für die Inhaber kollidierender Schutzrechte in besonderem Maße eine gütliche Einigung nützlich sein. Beim Deutschen Patentamt ist daher eine Einigungsstelle errichtet worden, die in Kollisionsstreitigkeiten eine gütliche Einigung zwischen den Parteien vermitteln soll. Auf die Besetzung der Beisitzer können die streitenden Parteien Einfluß nehmen. Eine Liste von für den Beisitz geeigneten Fachleuten wird beim DPA geführt.

Gegen eine Gebühr von 300,– DM kann die Einigungsstelle jederzeit, also auch vor oder während einer gerichtlichen Auseinandersetzung, in Anspruch genommen werden. Sie kann den Parteien einen schriftlichen Einigungsvorschlag unterbreiten. Schließlich kann zur Beendigung der Auseinandersetzung in der mündlichen Verhandlung ein Vergleich geschlossen werden, aus dem die Zwangsvollstreckung stattfindet. – § 39 ff. ErstrG

VIII. Übergangsregelungen

1. Anhängige Beschwerde- und Nichtigkeitsverfahren

Die am 1. Mai 1992 bei einer Beschwerdespruchstelle oder einer Spruchstelle für Nichtigerklärung anhängigen Verfahren gehen auf das Bundespatentgericht über, während die bei einer Spruchstelle für die Löschung von Warenkennzeichen anhängigen Verfahren von der Warenzeichenabteilung des DPA weitergeführt werden. – § 51 ErstrG

2. Fristen

Grundsätzlich richten sich sämtliche Fristen nach Bundesrecht. Jedoch richtet sich der Lauf einer verfahrensrechtlichen Frist bei Schutzrechten und Schutzrechtsanmeldungen mit Ursprung in der ehemaligen DDR weiterhin nach früherem DDR-Recht, sofern er vor dem 1. Mai 1992 begann. – § 52 ErstrG

3. Gebühren

Auch die Gebühren sind grundsätzlich nach Bundesrecht zu entrichten. Jedoch bleibt das frühere DDR-Recht für die vor dem 1. Mai 1992 fällig gewordenen Gebühren zu Schutzrechten und Schutzrechtsanmeldungen mit Ursprung in der ehemaligen DDR weiterhin maßgeblich. Außerdem gilt eine Gebührenschuld als getilgt, wenn sie zwar erst vom 1. Mai 1992 an fällig wird, jedoch schon vor diesem Zeitpunkt nach den bisherigen Gebührensätzen wirksam bezahlt worden ist. – § 53 ErstrG





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