BGH, Urt.. v. 2. Juli 1998 – I ZR 55/96 – OLG Karlsruhe / LG Mannheim
|
|
1
|
Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Prof. Dr. Ullmann, Starck und Pokrant
|
|
|
2
|
für Recht erkannt:
|
|
|
3
|
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Februar 1996 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. |
|
|
4
|
Von Rechts wegen |
|
|
5
|
Tatbestand: |
|
|
6
|
Die Beklagte betreibt in Warstein eine Brauerei. Diese befindet sich seit 1753 im Familienbesitz. Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Warenzeichens Nr. 1 166 399 „Warsteiner“ für „Bier nach Pilsener Brauart“, das aufgrund der dem Patentamt nachgewiesenen Verkehrsdurchsetzung am 24. Oktober 1990 eingetragen worden ist. Im Herbst 1990 erwarb die Beklagte die 40 km von Warstein entfernt gelegene
Paderborner Brauerei. |
|
|
7
|
Gegenstand des Rechtsstreits sind die von der Beklagten für das bis Ende 1991 in der Paderborner Brauerei gebraute Bier der Sorten „Light“ und „Fresh“ auf der Vorder- und
Rückseite der Flasche verwendeten Etiketten nachfolgender
Gestaltung: |
|
|
8
|
Foto klick hier |
|
|
9
|
sowie die Verwendung von Bierkästen nachfolgender Aufmachung für das oben genannte Bier:
(Fotos hier nicht dargestellt; betrifft Kästen mit Aufkleber mit dem Text: Warsteiner eine Königin unter den Bieren)
|
|
|
10
|
Der Kläger, ein Verein mit dem satzungsmäßigen Zweck, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen, hat den Aufdruck „Warsteiner“ auf den Bierkästen für das in Paderborn gebraute „,Fresh“- und „Light“-Bier sowie die Gestaltung der Etiketten
auf diesen Bierflaschen als irreführend beanstandet. Für das
in Paderborn gebraute Bier dürfe nicht die geographische
Herkunftsangabe „Warsteiner“ verwendet werden. Der Hinweis
auf den Brauort Paderborn in dem stempelartigen Aufdruck auf
den Etiketten der Vorderseite der Flaschen sei nicht geeignet,
die bestehende Irreführung zu beheben. |
|
|
11
|
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Der Verkehr sehe
in „Warsteiner“ keinen Hinweis auf eine geographische Herkunft. Der Ort Warstein sei dem Verkehr unbekannt. Selbst wenn Teile des Verkehrs die Bezeichnung „Warsteiner“ mit einer geographischen Herkunft verbinden sollten, so hänge die
Wertschätzung des Bieres nicht von den örtlichen Gegebenheiten
ab. Auch andere Biere mit geographischer Herkunftsbezeichnung stammten nicht (ausschließlich) aus dem so bezeichneten Ort. |
12
|
Das Landgericht hat nach Einholung eines demoskopischen
Gutachtens, dem – vom Kläger mit Rücksicht auf eine
strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten gegenüber einem anderen Wettbewerbsverein und einer entsprechenden Verurteilung durch das Oberlandesgericht Hamburg (MD 1993, 115; bestätigt durch Nichtannahmebeschluß des Senats v. 14.10.1993 – I ZR 12/93) zum Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache nur hilfsweise gestellten – Unterlassungsantrag im wesentlichen stattgegeben und unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel der Beklagten verboten,
|
|
|
13
|
- die in Paderborn hergestellten Biere unter der Bezeichnung „Warsteiner“ mit den oben wiedergegebenen
Etiketten anzubieten, zu vertreiben, zu bewerben oder
in den Verkehr zu bringen;
- die in Paderborn gebrauten Biere „Warsteiner Premium
Fresh“ und „Warsteiner Premium Light“ in Warsteiner
Bierkästen – wie oben wiedergegeben – anzubieten, zu
vertreiben, zu bewerben oder in den Verkehr zu bringen.
|
|
|
14
|
Das Berufungsgericht hat nach Einholung eines ergänzenden demoskopischen Gutachtens die Klage abgewiesen. |
|
|
15
|
Mit der Revision begehrt der Kläger, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, die
Revision zurückzuweisen. |
|
|
16
|
Entscheidungsgründe: |
|
|
17
|
I. Das Berufungsgericht hat den klagenden Verein als prozeßführungsbefugt im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG angesehen. Ihm gehörten Verbände an, die ihrerseits prozeßführungsbefugt seien, weil sie auf demselben Markt tätig seien wie die Beklagte. Es sei von der Richtigkeit des Vortrags des Klägers zu den einzelnen (Verbands-)Mitgliedern auszugehen, da die Beklagte lediglich mit Nichtwissen bestritten habe. Da bereits zum D. G. Landesverband Bayern e.V. im B. eine erhebliche Zahl von Brauereien gehörten, bedürfe es nicht noch der weiteren Aufklärung, ob und welche einzelnen Brauereien selbst Mitglieder beim Kläger seien. Das Klagebegehren sei aber
unbegründet, da die Verwendung der Bezeichnung „Warsteiner“ für ein in Paderborn gebrautes Bier der Beklagten keine Irreführung im Sinne des § 3 UWG darstelle. Aus der durchgeführten Verkehrsbefragung ergebe sich, daß kein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise durch diese Bezeichnung in relevanter, d.h. in einer für das Konsumverhalten maßgeblichen Weise irregeführt werde. Letztendlich verblieben nur 8 % der befragten Verbraucher, die Bier tränken, sei es auch nur gelegentlich oder selten, welche wüßten, daß es einen Ort Warstein gebe, und die auf Nachfrage diesem Ort auch Bedeutung beimäßen. Aus §§ 127 ff. MarkenG ergebe sich keine andere rechtliche Beurteilung, da auch dort auf die Relevanz der Irreführung durch eine unzutreffende geographische Herkunftsangabe abzustellen sei. |
|
|
18
|
Die hiergegen gerichtete Revision hat im Ergebnis keinen
Erfolg. |
|
|
19
|
II. Die rechtliche Beurteilung des Streitfalls richtet sich vorrangig nach den zum 1. Januar 1995 in Kraft getretenen
Vorschriften des Markengesetzes (§ 152 Abs. 1 MarkenG) . Gemäß § 128 Abs. 1 in Verbindung mit § 127 Abs. 1 MarkenG ist zur Unterlassung verpflichtet, wer geographische Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr für Waren benutzt, die nicht aus dem Ort stammen, der durch die geographische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn bei der Benutzung eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft besteht. Damit hat der wettbewerbsrechtlich begründete Schutz der geographischen Herkunftsangabe über §§ 126 ff. MarkenG
einen erweiterten Schutz im Kennzeichenrecht erfahren. Die neue Regelung ist als lex specialis eines seiner Natur nach wettbewerbsrechtlichen Schutzes anzusehen, neben dem die Vorschriften der §§ 3, 1 UWG nur noch ergänzend für Sachverhalte herangezogen werden können (§ 2 MarkenG), die nicht unter §§ 126 ff. MarkenG fallen (vgl. auch Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Vor §§ 126-139 Rdn. 2). |
|
|
20
|
a) Der wettbewerbsrechtlich begründete Schutz der geographischen Herkunftsangabe hat im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes eine sondergesetzliche Ausgestaltung erfahren. Von einer Art weiteren geistigen Eigentums (vgl. Fezer, Markenrecht, § 126 MarkenG Rdn. 4; Althammer/Klaka,
Markengesetz, 5. Aufl., § 126 Rdn. 2; Köhler/Piper, UWG, § 3
Rdn. 188 a; Knaak, GRUR 1995, 103, 105) läßt sich mangels
einer Zuordnung der Kennzeichnung zu einem bestimmten (ausschließlichen) Rechtsträger allerdings nicht sprechen (Ingerl/Rohnke aaO Vor §§ 130-136 Rdn. 2). Ein Individualschutz ergibt sich nach wie vor nur reflexartig aus dem seiner Natur nach wettbewerbsrechtlichen Schutz. Die Vorstellung, daß
keine Individualrechte begründet werden, liegt auch der Regelung des
§ 128 Abs. 1 MarkenG zugrunde, nach der Verstöße gegen § 127 MarkenG auch von Mitbewerbern und Verbänden verfolgt werden können.
|
|
|
21
|
Da es bereits aus Gründen des Schutzes der Mitbewerber untersagt ist, eine Ware mit unzutreffenden Angaben über deren geographische Herkunft zu versehen, kann der Schutz der
geographischen Herkunftsangabe auch Geltung beanspruchen, wenn die Herkunft der Ware für die Kaufentscheidung des Verbrauchers nicht die für die Verurteilung nach § 3 UWG
erforderliche Bedeutung hat (vgl. Helm, Festschrift Vieregge,
S. 335, 349; Althammer/Klaka aaO § 127 Rdn. 1 a.E.; auch Fezer
aaO § 127 MarkenG Rdn. 6; Gloy, Festschrift Piper, S. 543,
557). |
|
|
22
|
b) Der Schutz der (einfachen) geographischen Herkunftsangabe gemäß § 127 Abs. 1 MarkenG setzt, wie seine Stellung neben dem Kennzeichenschutz der qualifizierten
geographischen Herkunftsangabe gemäß § 127 Abs. 2 MarkenG und der geographischen Herkunftsangabe mit besonderem Ruf gemäß §
127 Abs. 3 MarkenG zeigt, nicht voraus, daß der Verbraucher
mit ihr eine besondere, auf regionale oder örtliche Eigenheiten zurückzuführende Qualitätsvorstellung verbindet.
Dies entspricht dem bisherigen Rechtsverständnis (BGHZ 44, 16,
20 – de Paris; BGH, Urt. v. 16.12.1993 – I ZR 277/91, WRP 1994, 256, 258 – Mozzarella I; Urt. v. 13.10.1994 – I ZR 96/92, GRUR 1995, 65, 66 = WRP 1995, 11 – Produktionsstätte) und hat auch in der Rechtsprechung des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH GRUR Int.
1993, 76, 79 – Turrón) seinen Niederschlag gefunden. Für die
Entscheidung des Streitfalls kann deshalb dahinstehen, ob der Verbraucher, wie die Revisionserwiderung meint, mit dem Herkunftsort des Bieres in der Regel, und also auch hier, bestimmte Qualitätserwartungen verbindet. Eine durch örtliche Besonderheiten bedingte Eigenart eines in Warstein gebrauten Bieres ist unstreitig nicht gegeben. |
|
|
23
|
2. Da die Beklagte im Streitfall gewichtige Interessen an
der Beibehaltung ihrer berühmten Kennzeichnung „Warsteiner“
hat und in hinreichendem Maße über die Herkunft der Biersorten
„Warsteiner Premium Fresh“ und „Warsteiner Premium Light“ aus der Braustätte in Paderborn hinweist (vgl. nachfolg. unter III. 2. c), kann für die Entscheidung des Streitfalls dahinstehen, ob die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und
Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel
(ABl. EG Nr. L 208 S. 1), welche auch Angaben für Bier erfaßt,
einer Gewährung nationalen Schutzes vor der irreführenden
Verwendung (einfacher) geographischer Herkunftsangaben
entgegensteht. Diese Frage ist Gegenstand des
Vorlagebeschlusses des Senats in der Sache I ZR 54/96 vom selben Tag. |
|
|
24
|
III. 1. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß von der Befugnis des Klägers ausgegangen, die gerügte wettbewerbswidrige Verwendung der Bezeichnung „Warsteiner“ als
geographischer Herkunftsangabe zu verfolgen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Verbindung mit § 128 Abs. 1 MarkenG) . Ohne Erfolg zieht die Revisionserwiderung die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Klagebefugnis in Zweifel. Das Berufungsgericht hat sich
aufgrund des von der Beklagten lediglich mit Nichtwissen bestrittenen Vortrags des Klägers als überzeugt sehen dürfen, daß diesem eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden auf dem einschlägigen Markt im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG angehört. Der Ansicht der Revisionserwiderung, der Klagebefugnis stehe entgegen, daß nicht die einzelnen Mitglieder der dem Kläger angehörenden Verbände genannt worden seien, kann nicht beigetreten werden. Der Kläger hat die Verbände, aus deren Mitgliedschaft er seine Klagebefugnis herleitet, namentlich benannt. Das genügt. Die Beklagte war
damit nämlich in die Lage versetzt worden, zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen (BGHZ 131, 90, 93 – Anonymisierte Mitgliederliste) die Angaben zur Mitgliederstruktur dieser Verbände substantiiert zu bestreiten und überprüfen zu lassen. Das hat sie nicht getan. Damit ist der Vortrag des Klägers zur Mitgliedschaft einer Vielzahl von Brauereien allein schon im
Landesverband Bayern unstreitig geworden. Das Berufungsgericht hat deshalb rechtlich zutreffend über die Mitglieder der Verbände, welche dem Kläger angehören, dessen Prozeßführungsbefugnis für gegeben erachtet (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 29.9.1994 – I ZR 138/92, GRUR 1995, 122, 123 = WRP 1995, 104 – Laienwerbung für Augenoptiker) . Im übrigen hat der Senat die Verfahrensrüge der Revisionserwiderung zur
Klagebefugnis geprüft und nicht für durchgreifend erachtet
(vgl. § 565 a ZPO) |
|
|
25
|
2. Die Beklagte ist nicht gemäß § 128 Abs. 1 MarkenG in Verbindung mit § 127 Abs. 1 MarkenG zur Unterlassung verpflichtet. Eine Interessenabwägung fällt zu ihren Gunsten aus. |
|
|
26
|
(2) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Bezeichnung „Warsteiner“ auf den Ort „Warstein“
Bezug nimmt. Es handelt sich damit um eine Angabe im Sinne des § 126 Abs. 1 MarkenG, die in adjektivischer Form auf den Namen eines Orts zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft der Ware „Bier“ hinweist. |
|
|
27
|
Der Schutz einer Bezeichnung als geographischer Herkunftsangabe setzt nicht voraus, daß sie dem Verkehr als solche, im Streitfall also als ein Ort mit dem Namen Warstein, bekannt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14.1.1963 – Ib ZB 29/62, GRUR 1963, 469, 470 – Nola) . Der Schutz der
geographischen Angabe als Kennzeichnung im Sinne des § 127 Abs. 1
MarkenG erfordert lediglich, daß der angegebene Ort nicht
aufgrund seiner Eigenart oder wegen der Besonderheit der Ware
als Produktionsstätte erkennbar ausscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.1957 – 1 ZR 72/55, GRUR 1957, 430, 431 – Havana; Urt. v. 30.6.1983 – I ZR 96/81, GRUR 1983, 768, 769 – Capri-Sonne) . Einer dahingehenden Annahme steht bereits die Tatsache entgegen, daß die Beklagte ihre Brauerei in Warstein
errichtet hat. |
|
|
28
|
Ohne Bedeutung ist auch, daß der Verkehr mit dem Ort Warstein keine regionalen Besonderheiten verbindet, die für die Qualität der Ware oder die Art ihrer Produktion bedeutsam sein können. Dahingehende Feststellungen bedarf es erst für den Schutz qualifizierter geographischer Angaben im Sinne des § 127 Abs. 2 MarkenG, nicht aber für den hier (allein) einschlägigen Schutz nach § 127 Abs. 1 MarkenG.
|
|
|
29
|
aa) Für die Beurteilung des Streitfalls ist auch davon
auszugehen, daß der Schutz der Bezeichnung „Warsteiner“ als einer kraft Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Marke und deren Verwendung auf den Etiketten der Bierflaschen dem im Interesse der Allgemeinheit gewährten Schutz der geographischen Herkunftsangabe im Sinne des § 127 Abs. 1 MarkenG nicht entgegensteht. Eine Ortsangabe, welche aufgrund ihrer Benutzung durch einen bestimmten Betrieb sich für diesen als ein Herkunftshinweis durchgesetzt hat, verliert dadurch nicht ihre ursprüngliche Eigenschaft als geographische Angabe. Es bleibt vielmehr auch in solchen Fällen der Beurteilung des
Einzelfalls vorbehalten, ob die Verwendung dieser Bezeichnung eine Irreführung einschließt (vgl. BGH, Urt. v. 13.5.1977 – I ZR 177/75, GRUR 1978, 46, 47 – Doppelkamp; Urt. v. 27.5.1993 – I ZR 115/91, GRUR 1993, 920, 921 – Emilio Adani II). Der bereits im Interesse der Allgemeinheit gewährte Schutz
(einfacher) geographischer Herkunftsangaben, der jedem zusteht, der seine Betriebsstätte in der bezeichneten Region unterhält, wird nicht dadurch aufgehoben, daß einem Betrieb diese Bezeichnung als Herkunftshinweis kraft Benutzung geschützt ist. Die Rechtsstellung regionaler Wettbewerber wird
hierdurch lediglich dahin eingeschränkt, daß eine Verwendung der Herkunftsangabe als Unternehmenshinweis dem besseren Schutz des Markeninhabers weichen muß (vgl. auch § 23 Nr. 2
MarkenG; Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenrechtsRL) . Nichts anderes
kann der von der Revisionserwiderung angeführten Entscheidung
des Senats „Rosenheimer Gummimäntel“ (Urt. v. 17.9.1957 – I ZR 105/56, GRUR 1958, 39, 40 mit Anm. Droste) entnommen werden. |
|
|
30
|
bb) Der generalisierenden Ansicht der Revisionserwiderung, eine Irreführung durch die Verwendung des Begriffs
„Warsteiner“ scheide schon deshalb aus, weil, was dem Verkehr bekannt sei, dieser Begriff ambivalent sei und sowohl auf den Brau- und Abfüllort als auch auf den Sitz des Brauereiunternehmens wie auf den Namensgeber, die Firma des
Unternehmens, hinweisen könne, kann nicht beigetreten werden.
Mit dieser abstrahierenden Betrachtung würde der vom Gesetzgeber gebotene Schutz der geographischen Herkunftsbezeichnung gemäß § 127 Abs. 1 MarkenG unterlaufen. Ein anderes Ergebnis kann sich erst aufgrund einer Interessenabwägung und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände im Einzelfall
ergeben (vgl. nachfolgend c)). |
|
|
31
|
cc) Auch bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß die Bezeichnung „Warsteiner“ wegen der Bekanntheit als
Biermarke vom Verkehr nurmehr lediglich als Synonym für Bier
aus dem Hause der Beklagten – unabhängig von der Produktionsstätte – verstanden werde und deshalb gemäß § 126 Abs.
2 MarkenG den Schutz als geographische Herkunftsangabe
verloren habe. |
|
|
32
|
Es ist zwar nicht von vornherein auszuschließen, daß eine geographische Herkunftsbezeichnung, welche über Verkehrsdurchsetzung markenrechtlichen Schutz erlangt hat, ihre
ursprüngliche Bedeutung verlieren kann, (lediglich) auf die Produktion in einer bestimmten Region oder an einem bestimmten Ort hinzuweisen. Doch bedarf es hierzu der Feststellung, daß nur noch unbeachtliche Teile des Verkehrs von einer
geographischen Herkunftsbedeutung ausgehen (vgl. BGH, Urt. v.
30.1.1963 – Ib ZR 183/61, GRUR 1963, 482, 485 – Hollywood Duftschaumbad; BGHZ 44, 16, 19 – de Paris; Beschl. v. 18.2.1972 – I ZB 6/70, GRUR 1973, 361, 362 sanRemo) . Die vom Berufungsgericht im Rahmen seiner Erörterung zu § 3 UWG getroffenen und von der Revisionserwiderung nicht beanstandeten Feststellungen lassen eine dahingehende Folgerung nicht zu. Vielmehr steht die Feststellung, daß
nahezu 81 % der häufigen Bierkonsumenten den Ort Warstein kennen, der Beurteilung entgegen, die Bezeichnung „Warsteiner“ habe ihre ursprüngliche Bedeutung als (adjektivische) Ortsangabe verloren. |
|
|
33
|
b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann im
Streitfall auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Gefahr der irreführenden Verwendung der Bezeichnung „Warsteiner“ für Bier aus Paderborn im Streitfall ausgeschlossen sei. Es kann dabei dahinstehen, welche Quote der Abnehmer, die „Warsteiner“ als einen Hinweis auf die Produktionsstätte in
Warstein ansehen, erforderlich ist, um eine Irreführung im Sinne des § 127 Abs. 1 MarkenG anzunehmen. Insbesondere in Anbetracht des auch den Interessen der Mitbewerber auf dem regionalen Markt dienenden Schutzes der geographischen Herkunftsangabe sind jedenfalls keine höheren Anforderungen als an eine Irreführung gemäß § 3 UWG zu stellen. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang getroffene
Feststellung, wonach nicht unwesentliche Teile der Befragten davon ausgehen, daß Warstein auch der Brauort ist, trägt die Beurteilung einer irreführenden Verwendung der Bezeichnung „Warsteiner“ für in Paderborn gebrautes Bier, ohne daß es auf die eine höhere Irreführungsquote reklamierende Rüge der Revision ankäme. |
34
|
c) Dem aus § 127 Abs. 1 in Verbindung mit § 128 Abs. 1 MarkenG herzuleitenden Verbot der Verwendung der Bezeichnung „Warsteiner“ für in Paderborn hergestelltes Bier, stehen im Streitfall die gewichtigen Interessen der Beklagten an der Marke „Warsteiner“ im Zusammenhang mit der Tatsache entgegen, daß durch den Aufdruck auf den Etiketten der Vorderseite der Flaschen in hinreichendem Maße auf den Tatumstand hingewiesen wird, daß die Biere der Sorte „Light“ und „Fresh“ nicht aus Warstein stammen. |
|
|
35
|
Auch das aus § 127 Abs. 1 MarkenG hergeleitete Verbot steht unter dem Vorbehalt seiner Verhältnismäßigkeit (vgl. Fezer, Markenrecht, § 127 MarkenG Rdn. 6; Helm, Festschrift Vieregge, S. 335, 352). Im Streitfall ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, daß diese sich mit der Marke
„Warsteiner“ ein wertvolles Kennzeichen, welches zugleich Unternehmenskennzeichen ist, aufgebaut hat. Für ein expandierendes Unternehmen erweist es sich geradezu als ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, die Kennzeichnungskraft des weithin bekannten Unternehmenskennzeichens auch bei der
Fortentwicklung des eigenen Unternehmens einzusetzen. Zu den Gegebenheiten eines florierenden Unternehmens gehört es auch, daß dieses weitere Produktionsstätten an anderen Orten aufbaut oder erwirbt, um dort der Expansion des Geschäftsbetriebs Rechnung tragen zu können. Zudem besteht, was nicht näher dargelegt zu werden braucht, ein berechtigtes Interesse daran, die erfolgreiche Unternehmensstrategie unter Beibehaltung des
wichtigsten immateriellen Gutes (hier: der Marke „Warsteiner“) fortzusetzen. Dieses Interesse gewinnt im Streitfall auch dadurch an Gewicht, daß die Beklagte ihren
Unternehmenssitz in Warstein beibehält, wo sie die unternehmerischen Entscheidungen auch hinsichtlich der Produktionsstätte in Paderborn trifft. |
|
|
36
|
Diese gewichtigen Interessen können gegenüber dem Kennzeichnungsverbot des § 127 Abs. 1 in Verbindung mit § 128 Abs. 1
MarkenG allerdings nur durchgreifen, wenn die Beklagte bei der Verwendung ihrer Marke „Warsteiner“ durch deutliche entlokalisierende Zusätze (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.1993 – I ZR 210/91, GRUR 1994, 310, 311 = WRP 1994, 260 – Mozzarella II) auf die Besonderheiten der Produktionsstätte in Paderborn hinweist und verbleibende Fehlvorstellungen des Verkehrs, soweit sie für seine Kaufentscheidung relevant sein können, daneben nicht ins Gewicht fallen. |
|
|
37
|
Die Interessenabwägung fällt im Streitfall zugunsten der Beklagten aus. Dazu bedarf es keiner näheren Auseinandersetzung mit den Rügen der Revision zur Verwertung der
Verkehrsbefragung durch das Berufungsgericht. Auch wenn man mit der Revision davon ausgeht, daß entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts nicht nur 8 % der Befragten dem mit der Bezeichnung „Warsteiner“ verbundenen Hinweis auf den Brauort „Warstein“ eine Bedeutung für ihre Kaufentscheidung
beimessen, sondern diese Quote – wie die Revision meint – bei nicht weniger als 12 % der Gesamtbevölkerung bzw. nicht weniger als 16 % der ,,häufigen“ Biertrinker liege, kann eine andere Beurteilung nicht Platz greifen. Der auf dem vorderen Flaschenetikett gegebene Hinweis über die Braustätte Paderborn
ist eindeutig und klar und angesichts der gewichtigen Interessen der Beklagten hier als ausreichend anzusehen. Der Verbraucher, der sein Bier nach der Sorte „Fresh“ oder
„Light“ aussucht, begegnet dem deutlichen Hinweis auf die Braustätte in Paderborn. Seiner Vorstellung, die Bezeichnung „Warsteiner“, die auf dem streitigen Etikett zudem entlokalisierend als „Marke“ angeführt wird, weise auf die
Braustätte in Warstein hin, wird in hinreichendem Maße
entgegengewirkt. Es bestehen zudem keine an den Brauort „Warstein“ anknüpfenden besonderen Qualifikationsmerkmale des Bieres. Sollte, wie die Revision meint, der Verbraucher von solchen generell und irrtümlich auch für den Ort Warstein ausgehen, so erscheint eine solche – nicht von der Beklagten geweckte – Fehlvorstellung, insbesondere in Anbetracht der Bedeutung der Marke „Warsteiner“ für das Unternehmen der Beklagten, nicht schützenswert. |
|
|
38
|
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht hinsichtlich der Verwendung der Bierkästen, welche lediglich den Aufdruck „Warsteiner“ aufweisen, obwohl in ihnen das streitige Flaschenbier aus Paderborn angeboten wird. Es ist erfahrungsgemäß fernliegend, daß ein Verbraucher, der ein Bier
spezieller Sorte wie hier „Fresh“ oder „Light“ sucht, sich allein von dem Aufdruck „Warsteiner“ auf dem Bierkasten leiten läßt. Hat er einmal aber die Flasche in die Hand genommen, um die Sorten festzustellen, so hat er auch die Möglichkeit, sich über den Brauort zu informieren. In Anbetracht dieses Tatumstandes erscheint es außer Verhältnis, zum Schutz des Wettbewerbs oder der Verbraucher zu gebieten, daß die Beklagte die Bierkästen, welche vornehmlich dem Transport und der Lagerung von Flaschenbier unterschiedlicher
Sorten dienen, jeweils nach einzelnen Sorten und nach der Braustätte kennzeichnet. |
|
|
39
|
Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
|