BGH, Beschl. v. 2. Juli 1998 – I ZR 54/96 – OLG Karlsruhe / LG Mannheim
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Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Prof. Dr. Ullmann, Starck und Pokrant
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beschlossen:
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I. Das Verfahren wird ausgesetzt. |
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II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art. 177 Abs. 1 lit. b, Abs. 3 EGV zur Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. EG Nr. L 208 S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: |
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Steht die Regelung der Verordnung Nr. 2081/92 vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben
und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, welche die irreführende
Verwendung einer einfachen geographischen Herkunftsbezeichnung verbietet, d.h. einer Angabe, bei welcher kein Zusammenhang zwischen den
Eigenschaften des Produkts und seiner geographischen Herkunft besteht?
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Gründe:
I. Die Beklagte betreibt in Warstein eine Brauerei. Diese befindet sich seit 1753 im Familienbesitz. Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Warenzeichens Nr. 1 166 399 „Warsteiner“ für „Bier nach Pilsener Brauart“, das aufgrund der dem Patentamt nachgewiesenen Verkehrsdurchsetzung am 24. Oktober 1990 eingetragen worden ist. Im Herbst 1990 erwarb die Beklagte die 40 km von Warstein entfernt gelegene Paderborner Brauerei von der Firmengruppe N.
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Gegenstand des Rechtsstreits sind die von der Beklagten für das bis Ende 1991 in der Paderborner Brauerei gebraute Bier der Sorten „Light“ und „Fresh“ auf der Vorder- und
Rückseite der Flasche verwendeten Etiketten nachfolgender
Gestaltung: |
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Der Kläger, ein Verein mit dem satzungsmäßigen Zweck, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen, hat die Gestaltung der Etiketten als irreführend beanstandet. Für das in Paderborn gebraute Bier dürfe nicht die geographische Herkunftsangabe „Warsteiner“ verwendet werden. |
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Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Der Verkehr sehe in „Warsteiner“ keinen Hinweis auf eine geographische Herkunft. Der Ort Warstein sei dem Verkehr unbekannt. Selbst
wenn Teile des Verkehrs die Bezeichnung „Warsteiner“ mit
einer geographischen Herkunft verbinden sollten, so hänge die
Wertschätzung des Bieres nicht von den örtlichen Gegebenheiten
ab. Auch andere Biere mit geographischer Herkunftsbezeichnung
stammten nicht (ausschließlich) aus dem so bezeichneten Ort. |
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Das Landgericht hat nach Einholung eines demoskopischen Gutachtens dem Unterlassungsantrag im wesentlichen
stattgegeben und unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel
der Beklagten verboten,
die in Paderborner Braustätten hergestellten Biere
„Warsteiner Premium Light“ und „Warsteiner Premium Fresh“ mit den oben wiedergegebenen Etiketten anzubieten, zu verbreiten und/oder in den Verkehr zu
bringen.
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Das Berufungsgericht hat nach einer ergänzenden Stellungnahme des demoskopischen Gutachters die Klage abgewiesen. Aus der durchgeführten Verkehrsbefragung ergebe sich, daß kein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise durch diese Bezeichnung in relevanter, d.h. in einer für das
Konsumverhalten maßgeblichen Weise irregeführt werde.
Letztendlich verblieben nur 8 % der befragten Verbraucher, die
Bier tränken, sei es auch nur gelegentlich oder selten, welche
wüßten, daß es einen Ort Warstein gebe, und die auf Nachfrage
diesem Ort auch Bedeutung beimäßen. |
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Mit der Revision begehrt der Kläger, das Urteil des
Landgerichts wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, die
Revision zurückzuweisen. |
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II. Das Verfahren ist auszusetzen. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist gemäß Art. 177 Abs. 1, Abs. 3 EGV folgende Frage zur Entscheidung vorab vorzulegen:
Steht die Regelung der Verordnung Nr. 2081/92 vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, welche die irreführende Verwendung einer einfachen geographischen Herkunftsbezeichnung verbietet, d.h. einer Angabe, bei welcher kein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Produkts und seiner geographischen
Herkunft besteht? |
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III. Für die revisionsrechtliche Beurteilung des Streitfalls kommt es auf die Beantwortung der zuvor gestellten Frage an. Steht die Verordnung Nr. 2081/92 dem nationalen Schutz einfacher geographischer Herkunftsbezeichnungen nicht entgegen, so führt die revisionsrechtliche Beurteilung des Streitfalls zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts (vgl. nachfolgend 1.). |
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Die Frage der Exklusivität der Verordnung (EWG) Nr.
2081/92 für den Schutz geographischer Herkunftsangaben ist als noch nicht hinreichend geklärt anzusehen. Hierüber hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu befinden (vgl. nachfolgend 2.). |
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1. Die rechtliche Beurteilung des Streitfalls richtet sich vorrangig nach den zum 1. Januar 1995 in Kraft getretenen
Vorschriften des Markengesetzes (§ 152 Abs. 1 MarkenG). Gemäߧ 128 Abs. 1 in Verbindung mit § 127 Abs. 1 MarkenG ist zur Unterlassung verpflichtet, wer geographische Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr für Waren benutzt, die nicht aus dem Ort stammen, der durch die geographische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn bei der Benutzung eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft besteht. Damit hat der wettbewerbsrechtlich begründete Schutz der geographischen Herkunftsangabe über §§ 126 ff. MarkenG einen erweiterten Schutz im Kennzeichenrecht erfahren. Die neue Regelung ist als lex specialis eines seiner Natur nach
wettbewerbsrechtlichen Schutzes anzusehen, neben dem die Vorschriften der §§ 3, 1 UWG nur noch ergänzend für Sachverhalte herangezogen werden können (§ 2 MarkenG), die nicht unter §§ 126 ff. MarkenG fallen (vgl. auch Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Vor §§ 126-139 Rdn. 2). |
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a) Der wettbewerbsrechtlich begründete Schutz der geographischen Herkunftsangabe hat im Bereich des gewerblichen
Rechtsschutzes eine sondergesetzliche Ausgestaltung erfahren.
Von einer Art weiteren geistigen Eigentums (vgl. Fezer, Markenrecht, § 126 MarkenG Rdn. 4; Althammer/Klaka, Markengesetz, 5. Aufl., § 126 Rdn. 2; Köhler/Piper, UWG, § 3 Rdn. 188a; Knaak, GRUR 1995, 103, 105) läßt sich mangels einer Zuordnung der Kennzeichnung zu einem bestimmten (ausschließlichen) Rechtsträger allerdings nicht sprechen
(Ingerl/Rohnke aaO Vor §§ 130-136 Rdn. 2). Ein Individualschutz ergibt sich nach wie vor nur reflexartig aus dem seiner Natur nach wettbewerbsrechtlichen Schutz. Die Vorstellung, daß keine Individualrechte begründet werden, liegt auch der Regelung des § 128 Abs. 1 MarkenG zugrunde, nach der Verstöße gegen § 127 MarkenG auch von Mitbewerbern und Verbänden verfolgt werden können. |
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Da es bereits aus Gründen des Schutzes der Mitbewerber untersagt ist, eine Ware mit unzutreffenden Angaben über deren
geographische Herkunft zu versehen, kann der Schutz der geographischen Herkunftsangabe auch Geltung beanspruchen, wenn die Herkunft der Ware für die Kaufentscheidung des Verbrauchers nicht die für die Verurteilung nach § 3 UWG
erforderliche Bedeutung hat (vgl. Helm, Festschrift Vieregge,
S. 335, 349; Althammer/Klaka aaO § 127 Rdn. 1 a.E.; auch Fezer
aaO § 127 MarkenG Rdn. 6; Gloy, Festschrift Piper, S. 543,
557). |
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b) Der Schutz der (einfachen) geographischen Herkunftsangabe gemäß § 127 Abs. 1 MarkenG setzt, wie seine Stellung neben dem Kennzeichenschutz der qualifizierten
geographischen Herkunftsangabe gemäß § 127 Abs. 2 MarkenG und der geographischen Herkunftsangabe mit besonderem Ruf gemäß §
127 Abs. 3 MarkenG zeigt, nicht voraus, daß der Verbraucher
mit ihr eine besondere, auf regionale oder örtliche Eigenheiten zurückzuführende Qualitätsvorstellung verbindet.
Dieses Verständnis entspricht der bisherigen Rechtsprechung
(BGHZ 44, 16, 20 – de Paris; BGH, Urt. v. 16.12.1993 – I ZR
277/91, WRP 1994, 256, 258 = GRUR 1997, 142 – Mozzarella I Urt. v. 13.10.1994 – I ZR 96/92, GRUR 1995, 65, 66 = WRP 1995, 11 – Produktionsstätte) und findet auch in Erkenntnissen des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften seinen Niederschlag (vgl. EuGH, Urt. v.
10.11.1992 – Rs. C-3/91, GRUR Int. 1993, 76, 79 – Turrón). Für
die Entscheidung des Streitfalls kann deshalb dahinstehen, ob der Verbraucher, wie die Revisionserwiderung meint, mit dem Herkunftsort des Bieres in der Regel, und also auch hier, bestimmte Qualitätserwartungen verbindet. Eine durch
örtliche Besonderheiten bedingte Eigenart eines in Warstein gebrauten Bieres ist unstreitig nicht gegeben. |
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c) Da die Beklagte hinreichende und zumutbare klarstellende Angaben über den Brauort Paderborn – anders als in
der am selben Tag entschiedenen Sache I ZR 55/96 – unterläßt, ist ihr die Verwendung der Ortsbezeichnung „Warsteiner“ für die in Paderborn gebrauten Biere untersagt, ohne daß es darauf
ankommt, in welchem Maße die Bezeichnung „Warsteiner“ als
geographische Angabe für die Kaufentscheidung des Verbrauchers
Bedeutung hat. |
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(1) Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß von der Befugnis des Klägers ausgegangen, die gerügte wettbewerbswidrige Verwendung der Bezeichnung „Warsteiner“ als geographischer Herkunftsangabe im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Verbindung mit § 128 Abs. 1 MarkenG zu verfolgen. Ohne Erfolg zieht die Revisionserwiderung die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Klagebefugnis in Zweifel. Hierzu bedarf es
zunächst keiner weiteren Ausführungen. Hinzuweisen ist in
diesem Zusammenhang jedoch zugleich darauf, daß es für die
Begründetheit des vom Schutzverband gegen Unwesen in der
Wirtschaft gemäß § 128 Abs. 1 MarkenG in Verbindung mit § 13
Abs. 2 Nr. 2 UWG verfolgten Unterlassungsanspruchs nicht der
Feststellung einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Verwendung der Bezeichnung „Warsteiner“ bedarf. |
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Die Befugnis zur Geltendmachung des (eigenständigen) Verbotsanspruchs wegen unbefugter Benutzung einer geographischen Herkunftsangabe ist in § 128 Abs. 1 MarkenG den in §
13 Abs. 2 UWG genannten Berechtigten zugeordnet, ohne deren
Anspruchsberechtigung an die weitere Feststellung zu knüpfen,
daß die beanstandete Handlung den einschlägigen Wettbewerb
(hier: auf dem Biermarkt) wesentlich zu beeinträchtigen
vermag. |
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Das mit der UWG-Novelle vom 25. Juli 1994 für die Begründung der Klagebefugnis der in § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG
genannten Berechtigten eingeführte Wesentlichkeitserfordernis
ist an die Geltendmachung der in § 13 Abs. 2 UWG genannten Ansprüche geknüpft. § 128 Abs. 1 MarkenG enthält keine dahingehende Einschränkung für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs aus § 127 MarkenG. Die Bezugnahme auf die nach § 13 Abs. 2 UWG zur Klage befugten Wettbewerber (Nr. 1), Wirtschaftsverbände (Nr. 2), Verbrauchervereine (Nr. 3) und Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern (Nr. 4) betrifft allein die organisatorische Struktur der genannten
Berechtigten, nicht aber deren unterschiedlich geregelte materielle Berechtigung bei der Verfolgung der in § 13 Abs. 2 UWG genannten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche. Das Tatbestandserfordernis des § 13 Abs. 2 Nr. 1, 2 UWG, wonach die Handlung geeignet sein muß, den Wettbewerb auf dem Markt
erheblich zu beeinträchtigen oder wesentliche Belange der Verbraucher zu berühren (Nr. 3), gehört nicht zur Definition der jeweils Klageberechtigten, seien es Mitbewerber, Verband, Verbraucherschutzverein (vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1994 – I ZR 138/92, GRUR 1995, 122, 123 = WRP 1995, 104 – Laienwerbung für Augenoptiker) . Es ist deshalb auch für § 128 Abs. 1 MarkenG
unbeachtlich. |
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(2) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Bezeichnung „Warsteiner“ auf den Ort „Warstein“ Bezug nimmt. Es handelt sich damit um eine Angabe im Sinne des § 126 Abs. 1 MarkenG, die in adjektivischer Form auf den Namen eines Orts zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft der Ware „Bier“ hinweist. |
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Der Schutz einer Bezeichnung als geographischer Herkunftsangabe setzt nicht voraus, daß sie dem Verkehr als solche, im Streitfall also als ein Ort mit dem Namen Warstein, bekannt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14.1.1963 – Ib ZB 29/62, GRUR 1963, 469, 470 – Nola) . Der Schutz der
geographischen Angabe als Kennzeichnung im Sinne des § 127 Abs. 1
MarkenG erfordert lediglich, daß der angegebene Ort nicht
aufgrund seiner Eigenart oder wegen der Besonderheit der Ware
als Produktionsstätte erkennbar ausscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.1957 – 1 ZR 72/55, GRUR 1957, 430, 431 – Havana; Urt. v. 30.6.1983 – I ZR 96/81, GRUR 1983, 768, 769 – Capri-Sonne) . Einer dahingehenden Annahme steht bereits die Tatsache entgegen, daß die Beklagte ihre Brauerei in Warstein
errichtet hat. |
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Ohne Bedeutung ist auch, ob der Verkehr mit dem Ort
Warstein regionale Besonderheiten verbindet, die für die Qualität der Ware oder die Art ihrer Produktion bedeutsam sein können. Dahingehende Feststellungen bedarf es erst für den Schutz qualifizierter geographischer Angaben im Sinne des § 127 Abs. 2 MarkenG, nicht aber für den hier (bereits)
einschlägigen Schutz nach § 127 Abs. 1 MarkenG.
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(3) Auch der gleichzeitige Schutz der Bezeichnung
„Warsteiner“ als einer kraft Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Marke und ihre entsprechende Verwendung auf den Etiketten der Bierflaschen stehen dem im Interesse der Allgemeinheit gewährten Schutz der geographischen Herkunftsangabe im Sinne des § 127 Abs. 1 MarkenG nicht entgegen. Eine Ortsangabe, welche aufgrund ihrer Benutzung durch einen bestimmten Betrieb sich für diesen als ein Herkunftshinweis durchgesetzt hat, verliert dadurch nicht ihre ursprüngliche Eigenschaft als geographische Angabe. Es bleibt vielmehr auch in solchen Fällen der Beurteilung des Einzelfalls vorbehalten, ob die Verwendung dieser Bezeichnung eine Irreführung einschließt (vgl. BGH, Urt. v. 13.5.1977 – I ZR 177/75, GRUR 1978, 46, 47 – Doppelkamp; Urt. v. 27.5.1993 – I ZR 115/91, GRUR 1993, 920, 921 – Emilio Adani
II). Der bereits im Interesse der Allgemeinheit gewährte Schutz (einfacher) geographischer Herkunftsangaben, der jedem zusteht, der seine Betriebsstätte in der bezeichneten Region unterhält, wird nicht dadurch aufgehoben, daß einem Betrieb diese Bezeichnung als Herkunftshinweis kraft Benutzung geschützt ist. Die Rechtsstellung regionaler Wettbewerber wird hierdurch lediglich dahin eingeschränkt, daß eine Verwendung der Herkunftsangabe als Unternehmenshinweis dem besseren Schutz des Markeninhabers weichen muß (vgl. auch § 23 Nr. 2 MarkenG; Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenrechtsRL). |
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(4) Anhaltspunkte dafür, daß die Bezeichnung „Warsteiner“ wegen der Bekanntheit als Biermarke vom Verkehr nurmehr
lediglich als Synonym für Bier aus dem Hause der Beklagten –
unabhängig von der Produktionsstätte – verstanden werde und
deshalb gemäß § 126 Abs. 2 MarkenG den Schutz als geographische Herkunftsangabe verloren habe, können dem
Streitfall nicht entnommen werden. |
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Es ist zwar nicht von vornherein auszuschließen, daß eine geographische Herkunftsbezeichnung, welche über Verkehrsdurchsetzung markenrechtlichen Schutz erlangt hat, ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren kann, (lediglich) auf die Produktion an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Region hinzuweisen. Doch bedarf es hierzu der Feststellung,
daß nur noch unbeachtliche Teile des Verkehrs von einer geographischen Herkunftsbedeutung ausgehen (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1963 – Ib ZR 183/61, GRUR 1963, 482, 485 – Hollywood Duftschaumbad; BGHZ 44, 16, 19 – de Paris; Beschl.
v. 18.2.1972 – I ZB 6/70, GRUR 1973, 361, 362 – sanRemo) . Die vom Berufungsgericht im Rahmen seiner Erörterung zu § 3 UWG getroffenen und von der Revisionserwiderung nicht beanstandeten Feststellungen lassen eine dahingehende Folgerung nicht zu. Vielmehr steht die Feststellung, daß
nahezu 81 % der häufigen Bierkonsumenten den Ort Warstein
kennen, der Beurteilung entgegen, die Bezeichnung „Warsteiner“ habe ihre ursprüngliche Bedeutung als (adjektivische) Ortsangabe verloren. |
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(5) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die
Gefahr der irreführenden Verwendung der Bezeichnung „Warsteiner“ für Bier aus Paderborn im Streitfall – anders als in der Parallelsache I ZR 55/96 – nicht ausgeschlossen. Es kann dabei dahinstehen, welche Quote der Abnehmer, die „Warsteiner“ als einen Hinweis auf die Produktionsstätte in Warstein ansehen, erforderlich ist, um eine Irreführung
im Sinne des § 127 Abs. 1 MarkenG anzunehmen. Insbesondere in Anbetracht des auch den Interessen der Mitbewerber auf dem regionalen Markt dienenden Schutzes der geographischen Herkunftsangabe können jedenfalls keine höheren Anforderungen als
an eine Irreführung gemäß § 3 UWG zu stellen sein. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang getroffene Feststellung, wonach nicht unerhebliche Teile der Befragten davon ausgehen, daß Warstein auch der Brauort ist, trägt die Beurteilung einer irreführenden Verwendung der Bezeichnung „Warsteiner“ für in Paderborn gebrautes Bier, ohne daß es auf die eine höhere Irreführungsquote reklamierende Rüge der
Revision ankäme. |
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(6) Gegenüber dem aus § 127 Abs. 1 i.V. mit § 128 Abs. 1 MarkenG hergeleiteten Verbot der Verwendung der Bezeichnung
„Warsteiner“ für die in Paderborn hergestellten Biere greifen im Streitfall die schützenswerten Interessen der Beklagten nicht durch. Sie hat nämlich nicht in hinreichendem und zumutbarem Maße auf den Tatumstand hingewiesen, daß die Biere der Sorte „Light“ und „Fresh“ nicht aus Warstein stammen.
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Allerdings steht auch das aus § 127 Abs. 1 MarkenG
hergeleitete Verbot unter dem Vorbehalt seiner Verhältnismäßigkeit (vgl. Fezer, Markenrecht, § 127 MarkenG Rdn. 6; Helm, Festschrift Vieregge, S. 335, 352). Im Streitfall ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, daß diese sich mit der Marke „Warsteiner“ ein wertvolles Kennzeichen, welches zugleich Unternehmenskennzeichen ist, aufgebaut hat. Für ein Unternehmen ist es geradezu ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, die Kennzeichnungskraft des weithin bekannten Unternehmenskennzeichens auch bei der Fortentwicklung des
eigenen Unternehmens einzusetzen. Zu den Gegebenheiten eines florierenden Unternehmen gehört es auch, daß dieses weitere Produktionsstätten an anderen Orten erwirbt oder aufbaut, um dort der Expansion des Geschäftsbetriebs Rechnung zu tragen. Zudem besteht, was nicht näher dargelegt zu werden braucht, ein berechtigtes Interesse daran, die erfolgreiche
Unternehmensstrategie unter Beibehaltung des wichtigsten immateriellen Gutes (hier der Marke „Warsteiner“) fortzusetzen. Dieses Interesse gewinnt im Streitfall noch
dadurch an Gewicht, daß die Beklagte ihren Unternehmenssitz in
Warstein beibehält, wo sie die unternehmerischen Entscheidungen auch hinsichtlich der Produktionsstätte in Paderborn trifft. |
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Diese gewichtigen Interessen können gegenüber dem
Kennzeichnungsverbot des § 127 Abs. 1 in Verbindung mit § 128 Abs. 1 MarkenG allerdings nur durchgreifen, wenn die Beklagte bei der
Verwendung ihrer Marke „Warsteiner“ auf die Besonderheit der Produktionsstätte in Paderborn deutlich hinweist. Dem genügt
die Etikettierung im Streitfall indessen nicht. Anders als in der Sache I ZR 55/96 fehlt auf den vorderen Etiketten der
Bierflaschen ein (Stempel-)Aufdruck, welcher den Blick auf die
Produktionsstätte in Paderborn lenkt. Auch fehlt im Gegensatz
zu der Sache I ZR 55/96 der Zusatz „Marke“ zu der Bezeichnung „Warsteiner“, der zwar nicht für sich allein, wohl aber mit einem deutlichen entlokalisierenden Hinweis über die (jeweilige) Braustätte die Bedeutung von „Warsteiner“ als einer geographischen Angabe zu entkräften
vermag. |
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2. Nach Ansicht des Senats steht die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. EG Nr. L 208 v. 24.7.1992, S. 1 = GRUR Int. 1992, 750 ff.), welche auch Angaben für Bier erfaßt (Anhang I zur VO Nr. 2081/92), dem nationalen Schutz der (einfachen) geographischen Herkunftsangabe nicht entgegen (vgl. auch BGH WRP 1994, 256, 258 – Mozzarella 1; Urt. v. 19.1.1995 – I ZR 197/92, GRUR 1995, 354, 356 = WRP 1995, 398 – Rügenwalder Teewurst II; Althammer/Ströbele/ Klaka aaO § 126
Rdn. 10; Fezer, Markenrecht, § 127 Rdn. 4; Harte-Bavendamm,
GRUR 1996, 717, 723; Ahrens, GRUR Int. 1997, 508, 511 f.;
Gloy, Festschrift Piper, 5. 543, 549 ff.; Tilmann, GRUR 1996,
959 ff.). Der engere Anwendungsbereich der Verordnung Nr.
2081/92, welche nach Art. 2 Abs. 2 lit. d geographische Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel nur dann
schützt, wenn sich aus dem geographischen Ursprung eine
bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft
ergeben (vgl. auch Erwägungsgrund 9 zur VO Nr. 2081/92),
schließt den nationalen Schutz der (einfachen) geographischen
Herkunftsangabe nicht aus. |
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Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat indessen, wie in der Beanstandung der Mozzarella I – Entscheidung
des Senats zum Ausdruck gekommen ist (vgl. EuZW 1995, 368;
Entgegnung Ullmann, EuZW 1995, 761), die Ansicht vertreten, die Verordnung Nr. 2081/92 enthalte eine abschließende, weiterreichenden nationalen Schutz ausschließende Regelung über den Schutz geographischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen (vgl. auch v. Danwitz, GRUR 1997, 81, 85;
Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Vor §§ 130-136 Rdn. 2). Dem Senat
erscheint es als nicht abschließend geklärt, ob die Kommission
ihre Ansicht in dem Verfahren betreffend die Bezeichnungen „Montagne“ und „Monts de Lacaune“ (Rs. C-321-324/94) aufrechterhalten hat und ob diese die Billigung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der
Entscheidung dieser Sache gefunden hat (Urt. v. 7.5.1997, GRUR
Int. 1997, 737, 739 – Pistre) |
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Dort ist unter Erwägungsgrund 37 ausgeführt, daß der Schutz einer Bezeichnung „Montagne“ oder „Monts de Lacaune“
(Erwägungsgrund 39) vom Gegenstand der Verordnung Nr. 2081/92 zu weit entfernt sei, als daß diese der Beibehaltung des Schutzes entgegenstünde. Diese geographischen Bezeichnungen seien nur insoweit geschützt, als sie den Eindruck eines Ursprungs in einer Gebirgsregion erweckten, und nicht, so weit sie sich auf bestimmte Gebirgsregionen bezögen (Erwägungsgrund 39). Den Ausführungen läßt sich eine abschließende Antwort auf die Vorlagefrage nicht entnehmen.
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Die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel steht nicht der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, die die möglicherweise irreführende Verwendung einer geographischen Herkunftsangabe verbietet, bei der kein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Produktes und seiner geographischen Herkunft besteht.